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Abiturientenflut

Schon wieder ein sprachlicher Missgriff, ist doch das Wort „Flut“ mittlerweile nicht mehr korrekt. Das dürfte auch für „Schwemme“ gelten. Dürfte man „Abiturienteninflation“ sagen? Was auch immer, es sind viele (zu viele?), die das Abitur ablegen und bestehen. In Baden-Württemberg sind es 48228, mehr als im größeren Bayern (41239), aber natürlich deutlich weniger als im größten Bundesland NRW (85398). Beim Durchschnitt der Prüfungsergebnisse liegt der Südweststaat in der Mitte (2,46). Ganz vorne bewegt sich Thüringen (2,16). Was sagen uns diese Zahlen? Wenig. Die Ergebnisse werden bundesweit Jahr um Jahr besser, heißt es, was bedeutet, dass nicht die Absolventen sich steigern, sondern die Noten. Das kann an zweierlei liegen: Die Aufgaben werden immer leichter oder die Lehrer immer weniger anspruchsvoll. Die Folgen sind beträchtlich. Wenn ein Studienplatz nach dem Abiturergebnis vergeben würde, hätten es die Thüringer leichter als die Badener, einen zu ergattern. Meidinger vom Philologenverband nennt das „Bildungsungerechtigkeit“. Was tun? Ein bundesweites Zentralabitur? Das würde an der bürokratischen Unfähigkeit unserer Republik scheitern. Also dann einfach die Vorgabe, dass die Gesamtschnitte in allen Ländern gleich sein müssen. Wie macht man das? Man findet den Bundesdurchschnitt von 2014 und schreibt allen Ländern vor, dass sie den künftig erreichen müssen, also so lange Punkte abzuziehen oder hinzuzufügen haben, bis er erreicht ist. Und wer profitiert von diesem Verfahren? Alle, wenn Gerechtigkeit Gleichheit ist. Niemand, weil man die Guten bestraft und die Schwachen belohnt. Aber sind die Thüringer wirklich so gut? Ergo: Es muss eine neue Idee her.

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Unvergleichbarkeit

Nachdem die Kultusminister der Länder wieder einmal etwas festgestellt haben, was seit Jahrzehnten bekannt ist – die Durchschnittsergebnisse beim Abitur klaffen weit auseinander – verfallen sie wieder einmal in Aktionismus. Sie wollen das Abitur vergleichbar machen. Dabei scheiden sie ein bundesweites Zentralabitur von vornherein aus. Das hätte die Vergleichbarkeit gewiss erhöht, wäre aber noch fehler- und betrugsanfälliger als ein nur landesbezogenes Zentralabitur. Nun suchen sie das Heil in einer bundesweiten Aufgabensammlung, aus der sich die Länder bedienen könnten, wenn sie das wollten. Aber so einfach ist das nicht. Hinter den differierenden Abitur-Ergebnissen stecken unterschiedliche Schulsysteme, ungleiche Bildungspläne und verschiedenartige Unterrichtsweisen. Die Zahl, die am Ende eines 12- oder 13-jährigen Schülerlebens die Leistung markiert, ist die Summe einer 19- oder 20-jährigen Bildungsgeschichte. Unterschiedliche Gesamtdurchschnitte bilden statistisch tausendfache Einzelfälle ab. Eine Verschiedenheit der Abiturergebnisse gibt es auch an den Schulen eines Landes wie Baden-Württemberg und es gibt sie zwischen den Kursen einer Schule. Schon die Ergebnisse von Klassenarbeiten an einer Schule können deutlich auseinander liegen: Die 7a schafft ein 2,6, während die 7b bei der gleichen Arbeit nur ein 3,4 erzielt. Das hat natürlich einen Grund und die Schulleiter sind gehalten, ihn zu finden, aber selbst wenn sie ihn kennen, ist Abhilfe schwer zu schaffen. Ich fürchte, die Differenz in den Ergebnissen des Abiturs der deutschen Länder wird uns noch ein Weile erhalten bleiben.

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Frustlösungen

Aus Frust habe er die auf dem Schreibtisch seines Vaters liegenden „Erwartungshorizonte“ (Lösungsblätter) des Mathematik-Abiturs 2015 ins Netz gepustet. Wir haben es also nicht mit einem neuen Whistleblower zu tun, einem Kämpfer gegen sinnlose Geheimhaltung wichtiger Dokumente, sondern einem ganz normalen Schüler. Nun sind die Lösungen von Mathematik-Abituraufgaben nur für einen kleinen Teil der Menschheit, die Abiturienten aus Baden-Württemberg, von Interesse, allerdings eher vor der Prüfung. Danach kann man nur noch konstatieren: Ich habe das mathematische Problem richtig, teilweise richtig, gar nicht richtig angepackt. Dafür bekomme ich 14, 8 oder nur 2 Punkte. Für den nachlässigen Lehrer-Vater wird es ein beamtenrechtliches Nachspiel geben. Er hätte seinen Sohn eigentlich gut genug kennen müssen. Etwas mehr Sorgfalt beim Verbergen der rosaroten Lösungsblätter wäre nicht schlecht gewesen. Für die beiden spricht, dass sie sich rasch zu ihrer Tat bekannt haben. So könnte auch die disziplinarische Ahndung weniger hart ausfallen. Welche juristischen Folgen die Publikation haben wird, muss man abwarten. Kluge Anwälte könnten die Bepunktung der Arbeit ihres Mandanten unter Hinweis auf die vorliegenden Lösungen in Frage stellen. Leider wirkt sich manchmal auch ein einziger Notenpunkt auf das Gesamtergebnis aus und damit auf den numerus clausus, also auch auf die Chance, einen ganz bestimmten Studienplatz zu ergattern.