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Die Pflicht und die Kür

Die Kanzlerin hatte sich nach dem Abgang ihres Wunschpräsidenten verpflichtet, einen Kandidaten zu finden, der für vier der fünf Parteien im Bundestag annehmbar sei. Das war ein gutes Versprechen und zeugte von der Bereitschaft, sich nicht nur am Kalkül der Macht zu orientieren. Der vor 20 Monaten unterlegene Gauck bot sich eigentlich ganz von selbst als Lösung der Kandidatenfrage an. Aber er hat es zunächst nicht werden dürfen, weil das Frau Merkels Image geschadet haben würde. Man könnte sie fragen: Warum hast du diese Lösung nicht schon 2010 gewollt?

Doch ging es jetzt wirklich nur um eine Image-Frage? Ging es der CDU bei der Kandidatenkür nicht um mehr, nämlich um das Zeichen der Öffnung ins Grüne und Rote? Daher der Name Klaus Töpfer. Nun hat die FDP die Kanzlerin zu ihrem „Glück“, zur Kür von Gauck, gezwungen. Das wird den Liberalen nun übel angekreidet. Von Erpressung ist die Rede. Komisch: Da „zwingt“ man die Kanzlerin zu einem Kandidaten, den SPD und Grüne und nicht wenige in der Bevölkerung wollen, und ermöglicht ihr damit die elegante Einlösung ihres Versprechens, und nun ist man der Böse und muss fortan die Rache der mächtigsten Frau des Landes fürchten.

Es wäre angebracht, wenn die FDP-Spitze sich noch stärker in die Deutungshoheit einmischen würde. Politik ist nicht nur Handeln, sondern vor allem das erfolgreiche (positive) Darstellen (Erklären) des eigenen Handelns gegenüber der medialen Öffentlichkeit.

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Die Schulen und ihre Gliederung

Endlich gibt es mal wieder ein Streitthema, das sich zum Aufreger eignet. Nein, es ist nicht die Debatte um die Steuersenkung. Die will angeblich keiner mehr ernst nehmen, obwohl sich wahrscheinlich niemand gegen niedrigere/gerechtere/transparentere Steuersätze wehren würde.

Das Thema der Woche ist die Dreigliedrigkeit des Schulwesens. Ausgerechnet nach Trinitatis wird es aufs Tapet gebracht. So sind religiöse Grabenkämpfe in der CDU vorherbestimmt. Auch beim Kampf um das Dogma der Dreifaltigkeit ging es bekanntlich hoch her. Das geschah allerdings in grauer Vorzeit und spielte sich in Ägypten ab.

Das Schöne am Streit um die Dreifaltigkeit des Schulwesens ist, dass er dem um des Kaisers Bart ähnelt und demzufolge unnötig wie ein Kropf ist. Denn das pfeifen ja nun die Bildungsspatzen von ihren Pisa-Dächern: Die Form des Schulwesens, seine Struktur ist eher belanglos. Man kann sie ändern, man kann sie auch lassen, an den Schulleistungen – und damit sind die Leistungen der Schüler gemeint – ändert das so gut wie nichts.

Es ist der Unterricht, der den Schulerfolg bestimmt. Und da man in jeder Schulform gut oder schlecht unterrichten kann, ist es ziemlich egal, wie sie aussieht.

Wie aber sähe guter Unterricht aus? Er wäre orientiert an den Kindern und ihrer viel- und nicht nur dreifältigen Begabung. Er könnte sich auf unterschiediche Interessen einstellen und würde nicht einfältig alle über einen Kamm scheren. Er schüfe einen Rahmen, in dem Kinder lernen wollen und nicht nur lernen müssen. Kurzum: Es wäre ein Unterricht, an dem sogar Lehrer ihre Freude haben könnten.

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Überfrachtet – Schuluniform zur Problemlösung

Es stimmt ja: Die Schülerinnen und Schüler sind im Unterricht unterschiedlich gekleidet und manche machen aus ihren Markenklamotten einen Kult. Dass nicht alle Mitschüler bei diesem Modewettlauf mithalten können, weil ihre Eltern es nicht einsehen, die Ausgaben scheuen oder ihnen das Geld dazu fehlt, stimmt auch. Daher schwebt manchen Zeitgenossen eine Schuluniform als Lösung dieser sozialen Gegensätze vor. Wenn alle gleich gekleidet sind, kann es kein Mobbing wegen des Outfits mehr geben.

Das mag sein, aber wer mobben will, findet immer ein Opfer und einen Anlass. Die Schuluniform mag zwar das Problem des Markenwettstreits lösen, aber sie verhindert nicht den Streit überhaupt. Auch wird es kaum gelingen, die sozialen Gegensätze innerhalb einer Schulklasse auf diese Weise zu übertünchen.

Trotzdem hat die CDU am Wochenende (21./22.11.09) den Beschluss gefasst, dass Schulen künftig beschließen können, eine Schuluniform verpflichtend einzuführen. Dazu soll das Schulgesetz geändert werden. Die Schulkonferenz als das höchste Beschlussgremium der Schule soll künftig befugt sein, darüber zu befinden.

Die Schulkonferenz besteht aus 13 Mitgliedern: sechs Lehrern, drei Elternvertretern, drei Schülern und dem Schulleiter. Der leitet sie. Zusammen mit seiner (oder ihrer) Stimme könnten die Lehrkräfte oder eine Koalition von Eltern und Schülern einen so weitreichenden Beschluss wie die Einführung der Schuluniform fassen. Schulleitung und Lehrerkollegium wären verpflichtet, ihn durchzusetzen. Was aber, wenn manche Eltern oder manche Schüler sich weigern, die Uniform zu kaufen oder zu tragen? Welche Sanktionen gäbe es? Wenn alles gute Zureden nicht hilft, bleiben der Schule nur zwei Möglichkeiten: entweder nachzugeben und die Uniformpflicht nicht durchzusetzen oder mit den Maßnahmen des § 90 Schulgesetz zu operieren, als da wären: Nachsitzen, Ausschluss aus der Schule auf Zeit oder für immer („Such dir eine Schule ohne Uniform!“). Diese Aktionen könnten viel Ärger verursachen. Der Schulfrieden würde nachhaltig gestört. Wäre das der pädagogischen Arbeit zuträglich?
(Blog-Eintrag Nr. 112)