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Großkoalitionäre

Wir befinden uns politisch gesehen in einer merkwürdigen Phase. Da gibt es eine die Geschäfte führende alte Regierung – Sie erinnern sich: Westerwelle, Rösler, Bahr, Niebel und andere – und eine mutmaßlich bis Weihnachten gebildete neue, deren Geburtsprozess den Medien tägliche Berichte wert sind. Die neue Regierung soll eine „große Koalition“ werden, wobei sich erst zeigen muss, ob sie nur quantitativ oder auch qualitativ groß sein wird. Auch ob sie eine „Vereinigung“ mit einer gewissen Einigkeit wird, werden wir erst in ein paar Jahren wissen.

Warum brauchen die so lange? Wahrscheinlich wollen sie die Fehler früherer Koalitionen vermeiden. Die letzte Regierung hat nach kurzer Verhandlungszeit einen Koalitionsvertrag abgeschlossen, der keine gute Grundlage für das Regieren bildete. Die Koalition davor, auch eine große, war so, dass der kleinere Partner , die SPD, „untergebuttert“ wurde. So jedenfalls hat sie es später selbst gesehen. Daher verhandeln die Roten diesmal so, als ob sie die Stärkeren wäre.

Das führt zu einem Problem: Der Durchsetzungsfuror gefährdet die Kompromissfähigkeit. Je länger verhandelt wird, desto gelangweilter fühlt sich das Volk. Was tun? Man baut in die Verhandlungen theatralische Elemente ein. Man droht mit Abbruch oder dem Scheitern, man legt sich ein Pokergesicht zu, gibt vieldeutige Statements ab, redet von „Nebel“ auf dem noch langen Weg bis zum Gipfel – alles zur Unterhaltung des ungeduldig wartenden Volks. Die Roten bringen überdies Rot-Rot-Grün ins Spiel. Wie wäre es mit der Ankündigung, dass bald Neuwahlen nötig seien?

Derweil erledigt die geschäftsführende Regierung die Geschäfte und die Weltpolitik geht weiter, allerdings mit eingeschränkter deutscher Beteiligung.

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Schweigsame Politik und Spiele mit Koalitionen

Manchmal fragt man sich schon, was in der Politik wichtiger ist: das Regieren oder die Gedankenspiele mit Koalitionen. Natürlich gehört beides zusammen. Ohne politische Bündnisse gibt es keine Regierungen, ohne Koalitionen keine Entscheidungsprozesse. Aber was ist in diesen Tagen eigentlich wem übergeordnet?

Der grüne Kretschmann hat sich der schwarzen Merkel als Koalitionär angedient. Die Schwarzen tun alles, um das Totenglöcklein für die Blau-Gelben kräftiger ertönen zu lassen. Die Roten halten sich vornehm zurück, trauern aber insgeheim dem Bündnis mit den Schwarzen nach. Koalitionsspiele in allen Köpfen. Und wer betreibt ernsthaft Politik? Die Regierung in Baden-Württemberg hat bisher keine Lösung der Bahnhofsfrage vorgelegt. Wann es den Bürgerentscheid darüber geben soll, wird dezent verschwiegen. Für einen Baustopp will man (zu Recht) keine Steuergelder ausgeben.

In Berlin hat man sich im Eiltempo aus der Kernenergie verabschiedet. Was es kostet und wie es gehen soll, wird dezent verschwiegen. Wie der schnelle Umstieg auf „erneuerbare Energie“ gelingen soll, bleibt bisher noch ein Rätsel.

Exkurs: Mir stellt sich hier die Frage, wie man Energie „erneuern“ kann. Bisher meinte ich, man können sie nur umwandeln: Wind und Sonnenlicht werden zu Strom, Biomasse wird zu Gas. Aber wie soll die Erneuerung (oder auch nur Umwandlung) bei jener Energie gehen, die das Auto verbraucht, die im Aluminium steckt oder durch das Fenster abzieht?

Die Politik schenkt Griechenland Geld, damit es dort nicht zum Staatsbankrott kommt. Das ist edel. Es ist auch „alternativlos“, wie man hört. Was es uns alle kostet, nicht heute, nicht morgen, aber in ein paar Jahren, das wird dezent verschwiegen. Vielleicht wissen es die Entscheider selbst nicht. Oder ist es ihnen egal? Wahrscheinlich sind sie dann in ganz anderen Koalitionen.

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Unseriös – die Koalitionsberichterstattung

Man kann über alles schreiben, man kann auch über nichts etwas schreiben. Wer Geschriebenes liest, meint Bescheid zu wissen. Das ist reichlich unbescheiden; denn wir wissen oft nichts, obwohl wir es meinen, aber das wissen wir nicht. Man merkt: Ich schreibe von der Berichterstattung über die Berliner Koalitionsgespräche.

Was ich zu wissen meine: Im Wahlkampf kann eine Partei ihre Ziele als Programm klar und unzensiert formulieren. Sie will den Wählern sagen: Das wollen wir, wenn wir dürfen. Nach der Wahl braucht das Land eine Regierung. Die besteht bei uns aus mehreren Parteien, die sich auf Gemeinsames einigen müssen. Was dabei herauskommt, nennt man Kompromiss. In Deutschland, wo man solche Übereinkünfte nicht gut findet, spricht man gerne von „faulen Kompromissen“. Die gibt es natürlich, aber ist die Alternative, die Einigkeit darüber, dass man sich nicht einig ist, besser?

Zurzeit werden uns alle Tage in den Abendnachrichten irgendwelche Ergebnisse der schwarz-gelben Koalitionsgespräche mitgeteilt. Die finden die Journalisten meistens nicht gut und kommentieren sie herunter. Die Zeitungen am nächsten Morgen schließen sich an. Die Leser und Bürger glauben nun zu wissen, was auf sie zukommen wird: nichts Gutes. Aber sie wissen nicht, dass sie fast nichts wissen, denn die täglichen Wasserstandsmeldungen sind oft nur Versuchsballone und sagen nur wenig darüber aus, was letztendlich im Koalitionsvertrag stehen wird. Und was dort stehen wird, ist noch lange kein Gesetz, sondern eine Verabredung, eine Absichtserklärung. Bei der Umsetzung dieser Absichten in Gesetze passiert bekanntlich sehr viel. Und es kann auch sonst so einiges passieren, wie wir wissen, zum Beispiel eine Finanzkrise oder ein Krieg in Afghanistan oder eine Umweltkatastrophe.

Was einstmals „hinten“, also am Ende aller Beratungen und Abstimmungen, an Gesetzen herauskommen wird, dürfte mit dem, was jetzt vorne aus den Mündern der Sprecher und Schreiber herauskommt, nur noch wenig zu tun haben. Wer jetzt schon alles für bare Münze nimmt, sitzt unseriöser Berichterstattung auf. Mein Rat: alles, was derzeit geredet und geschrieben wird, nicht ganz so ernst nehmen.