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Bezweifelte Nachrichten

Stimmt eigentlich noch irgend etwas von dem, was uns täglich an Nachrichten erreicht? Wer so denkt, hat schon verloren. Wer alles bezweifelt, was an Informationen verbreitet wird, hat seine Intellektuelle Basis verloren. Der grundsätzliche Zweifler hält den Ukraine-Krieg für eine Inszenierung Hollywoods, die zerstörten Wohnsiedlungen für Potemkin‘sche Dörfer, also für Kulisse, und die Toten in den Straßen für Schauspieler. Diese Deutung der Nachrichten wird begründet mit dem Hinweis, dass der ukrainische Präsident einmal Schauspieler war und daher wisse, wie man die Weltöffentlichkeit täuscht. Wer die Ereignisse so sieht – und davon gibt es einige – glaubt der russischen Propaganda. Es gibt viele Beweise dafür, dass sie nicht nur ihrer eigene Bevölkerung ein X für ein U vormacht, sondern auch ihren heimlichen Fans in aller Welt. Aber wem kann man dann glauben? Wer die hiesige Presse und das Rundfunkwesen für käuflich und verlogen hält, dem bleibt nur die verwirrende Nachrichtenflut des Internets. Häckerling bekennt, dass er unserer Presse und auch den Redakteurinnen und Redakteuren des öffentlichen Rundfunks vertraut. Wenn die sich irren, geben sie es zu. Wenn sie nicht unabhängig belegen können, was sie melden, teilen sie uns das mit. Wer niemandem traut außer den Propagandisten und Wichtigtuern im Netz, handelt grob fahrlässig. Wäre das unser aller Maxime, hätte unsere Demokratie keine Zukunft. Denn die Politik hätte es dann mit Menschen zu tun, die zynisch jedes politische Handeln als verlogen ablehnen.

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Die Presse und der Wahlboykott

Offenbar fällt ihnen nichts Besseres mehr ein: Unsere Journalistenzunft spielt mit dem Thema „Wahlboykott“. Das wäre doch mal was Neues, so der Tenor in den Gazetten, in der ZEIT und heute (am 13.8. – ausgerechnet am Tag des Mauerbaus) auch in der Stuttgarter Zeitung. Man hält das wohl für ein Zeichen der ganz besonderen Art, wenn man einfach nicht zur Wahl geht. Das ist es aber nicht; diese Idee hatten bei den letzten Wahlen schon mehr als genug. Die Beteiligung daran lag zum Teil unter 50%. Nichtwählende Journalisten fänden sich also in guter (oder besser: schlechter) Gesellschaft.

Mir bereitet dieses Gerede vom Nichtwählen heftiges Bauchgrimmen. Als einer, der keine einzige Wahl im letzten halben Jahrhundert versäumt hat, erlaube ich mir zu sagen, dass ich dieses Geschreibsel vom Boykottieren der Wahl für verantwortungslos halte. Und es ist zynisch, wenn gerade jene, die täglich ihren Beitrag dazu leisten, das politische Geschäft abscheulich zu finden, die jede Woche ein anderes Skandalthema auspressen, die sich alle Tage vom hohen Ross herab als die Besseren, Klügeren, Wichtigeren gerieren, wenn ausgerechnet diese Gruppe der sich unantastbar Fühlenden vom Wahlboykott faselt.

Nicht nur, dass sie dadurch die extremen Parteien stärken, nicht nur, dass sie die Tendenz befeuern, dass die Politiker in ihrer Angst vor dem Wähler diesem noch mehr nach dem Munde reden, sie graben sich auch selbst das Wasser ab, weil sie mit dieser Haltung ihr eigenes informatorisches Versagen zugeben.

Man begründet den Wahlboykott gern damit, dass die Politik die großen Themen verdränge und sich um unbequeme Antworten drücke. Wenn das so ist, dann insistiert doch auf euren Fragen! Und wenn ihr mal eine Antwort bekommt, die in euren klugen Augen nicht zureicht, dann bohrt halt nach! Zeitungen, die mir raten, nicht zu wählen, wähle ich ab.

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Der Online-Journalismus und seine Kommentatoren

Den online berichtenden Zeitungen gehört die Zukunft. So sagt man. Wahrscheinlich ist das eine Prognose, deren Richtigkeit sich bald erweisen wird. Ich habe auch nichts dagegen. Wie sollte ich? Schreibe ich doch selber Texte, die sich übers Netz verbreiten sollen.

Nun soll es Menschen geben, die solche Texte sogar lesen, nicht nur die bei NSA und dergleichen. Was diesen oder dieses Blog hier angeht, so kann man die Zahl der nichtgeheimdienstlich organisierten Leserinnen und Leser mit den Fingern einer Hand zählen. Aber die Texte, die unter den großen Namen – oder sagt man hier „labels“? – laufen (wie SPIEGEL, ZEIT, FAZ), haben Unmengen von Lesern. Das sieht man unter den betreffenden Artikeln. Da stehen jede Menge Kommentare. Sie kommen offenbar im Minutentakt bei den Redaktionen an und werden „zeitnah“ (ich erlaube mir dieses Adverbial auch einmal) publiziert. Meistens sind sie trotz der journalistischen Vorsichtung gespickt mit allerlei Fehlern. Geschenkt. Zur redaktionellen „Kontrolle“ gehört offenbar nur der Blick auf die politische Korrektheit, nicht die orthografische.

Mein Problem: Woher nehmen diese vielen kommentierenden Menschen die Zeit, ständig im Internet zu schreiben? Sind das alles Rentner oder Arbeitslose? Da müssen doch auch ein paar in der Berufswelt Aktive darunter sein. Tippen die so ganz nebenbei ihre Kommentare, während sie mit einem halben Ohr den Rednern ihres Meetings lauschen?

Daraus ergibt sich die Frage: Gibt es schon Studien über den volkswirtschaftlichen Schaden dieses Online-Kommentierverhaltens? Was sagen die Rechnungshöfe dazu oder die Kontroller?