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Konjunktur rauf, Sprache runter

Wenn die Finanzleute mit der Wirtschaft so umgehen wie mit der Sprache, dann wird das schwierig mit dem erhofften Aufschwung. Die „Marktanalyse 2009“ der BW-Bank lässt den Kunden immer wieder ob seiner sprachlichen „Feinheiten“ zusammenzucken. Häckerling bezieht sich auf eine Doppelseite, die von den Verfassern selbst als „Werbemitteilung“ eingestuft wird und „nicht allen gesetzlichen Anforderungen der Unvoreingenommenheit“ genüge. Mit anderen Worten: Die „enthaltenen Informationen“ (nicht enthaltene sucht man auf dem Blatt vergeblich) sind nur mäßig vertrauenswürdig.

Die Bankleute spinnen auf den zwei Seiten sprachliches Stroh zu Scheingold. Da ist vom „finalen Ausverkauf“ des DAX im Frühjahr 2009 die Rede. Wieso „final“ (vom lateinischen „finis“ – Ende)? Die Aktien des DAX wurden auch nach diesem Finale noch gehandelt. Ja, es kam sogar zu einer „Aufholjagd“, wie uns die Schreiber versichern. Dieses Bild kennen wir vom Radrennen; die Zurückliegenden wollen in die Spitzengruppe. Wer aber ist hier, beim DAX, vorne und damit das Ziel der „Aufholjagd“?

Man erwartet als Leser der Analyse eine Antwort auf die Frage, wie es weitergeht mit der „wohl holprig verlaufenden(n) Wirtschaft“ bei den derzeitigen „rekordniedrigen Leitzinsen“? Kein Wort verlieren die Analysten über die Griechen. Sie weisen nur darauf hin, dass sich die „erheblichen Etatdefizite vieler Staaten“ in einem „hohen Angebot an Staatsanleihen niederschlagen“ werden. Noch erfreulicher: Sie erwarten „positive Wachstumsraten“, weil sich 2010 die „milliardenschweren Konjunkturpakete“ – man glaubt es kaum – „entfalten“ werden. Pakete als sich entfaltende Blüten: ein konjunktureller Frühling steht an.

Der Höhepunkt der ökonomischen Wahrsagekunst wird im letzten Abschnitt erreicht. Da erfahren wir, dass „der sich verbessernde Nachrichtenfluss“ (man würde sich eher einen ansteigenden Fluss vorstellen) „von Seiten der Konjunktur“ (eine Art Nebenfluss also) „bis weit in das laufende Jahr fortsetzen“ werde. Auf Deutsch: 2010 gibt es mehr gute Nachrichten über die Konjunktur als 2009. Es wird alles besser. Auch Häckerling freut sich auf diesen „sich verbessernden“ Nachrichtenfluss.

(Blog-Eintrag Nr. 155)

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Überschrieben – Alliteration in der Zeitung

Ob bei der Stuttgarter Zeitung Alliterationen und Anaphern in der Überschrift erlaubt seien, wurde ein Redakteur von Schülern gefragt (18.12.09). Die müssen einen anspruchsvollen Deutschunterricht genießen, wenn sie mit diesen Begriffen umgehen können. Die Antwort des Mannes von der Zeitung, der mit der Anapher nichts anfangen kann: Im Prinzip sei gegen diese Stilmittel nichts einzuwenden. Warum auch? Dazu sind sie schließlich da.

Die Alliteration kommt in der mittelalterlichen Dichtung beim Stabreim vor. Das grauslige Hildebrandslied liefert dazu ein Muster. Ob die Schüler es gelesen haben? Gemeint ist, dass Wörter, die nahe beieinanderstehen, in ihren Anfangsvokalen oder -konsonanten übereinstimmen: „Angst im Alltag der Arbeit“, „Luft und Leben“, „Brich mit den Hungrigen dein Brot“.

Suchen wir mal in der genannten Zeitung nach Überschriften dieses Musters. Gleich auf der ersten Seite ist zu lesen: „Wer wenig verdient, ist viel wert“ – über die volkswirtschaftliche Bedeutung von Putzfrauen. Und links daneben steht: „Grundsteuer steigt“ – in Stuttgart. Das wird auf Seite 21 gesteigert: „Die Grundsteuer steigt so stark wie nie zuvor“ – eine gekonnte Steueralliteration. Auf Seite 4 können wir lesen: „Merkel mahnt globale Kraftanstrengung an“ – in Kopenhagen. Seite 9: „Manager meditieren im Kuhstall“ – das baut offenbar Stress ab. Seite 11 steht eine Überschrift mit doppelter Alliteration: „Bosch beteiligt Mitarbeiter an Kosten der Kurzarbeit“ – so will man ihre Nichtentlassung finanzieren.

Schließlich auf Seite 18 die wunderbare Überschrift: „Nachfrage durch Nachwuchs“ – ein Leserbrief über die ökonomische Seite des Kinderkriegens. Und auch Anaphern hat die Zeitung zu bieten: „Mal lyrisch, mal dramatisch“ und „Ohne Mann, ohne Kind und ohne Dach in Barcelona“. Wieder einmal mehr liefert die aktuelle Zeitung Material für den Unterricht. Die Schüler könnte es freuen.

(Blog-Eintrag Nr. 124)

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Unbeholfen – Lehrerlob und Schreibertadel

Die Freude darüber, dass der Stuttgarter Regierungspräsident den Weltlehrertag zu einer Lobrede auf die Lehrerschaft genutzt hat, weicht bald einer ärgerlichen Stimmung, wenn man den Bericht in der Sindelfinger Zeitung (6.10.09) näher betrachtet. Die Fotos, die Sprache und die Zeichensetzung sind zum Jammern. Da stellt sich die Frage: Haben die Lehrerinnen und Lehrer kein besseres Lob verdient?

Auf den beiden Fotos erblickt man sechs Menschen, aber keinen einzigen Lehrer, dafür eine Abgeordnete, einen Regierungspräsidenten, einen Landrat, eine Dame vom Regierungspräsidium, einen Seminarleiter und einen Schulleiter.

Die Sprache des Artikels ist so, dass man zum Rotstift greifen möchte. Da heißt es, der Regierungspräsident habe „anlässlich des Weltlehrertags … die Idee gehabt“, den Lehramtsanwärtern „Anerkennung und Unterstützung für ihren schweren Beruf zu zeigen“. Gemeint ist: Der Präsident nutzte den Weltlehrertag, um den künftigen Lehrern seine Anerkennung auszusprechen und ihnen Unterstützung (welche?) in Aussicht zu stellen. Zu deren Ausbildung wird gesagt, sie würden, „neben ihrem praktischen Einsatz in Schulen“, „in Theoriestunden auf ihren Beruf vorbereitet“. Das klingt nach Fahrprüfung. Und wieso „neben“? Gemeint ist: Die Referendarinnen und Referendare werden in eineinhalb Jahren vom Seminar und von ihrer Schule theoretisch und praktisch auf den Lehrerberuf vorbereitet. Tiefsinnig wirkt der vom Zeitungsschreiber zitierte Satz des Regierungspräsidenten: „Der eigentliche Beruf des Lehrers im Alltag ist kaum jemandem bekannt.“ Meint er, dass kaum jemand etwas über den Lehreralltag weiß?

Mit den Kommas steht der Verfasser des Artikels auf Kriegsfuß. Um den Lesern dieses Blogs auch einmal etwas zum Rätseln zu geben, seien vier Sätze zitiert, in denen sich nach Häckerlings Auffassung Fehler versteckt haben: (1) „Lehrer werden in Deutschland nicht so sehr geschätzt, wie in anderen Ländern.“ (2) „Die Kinder haben eine lange Vergangenheit hinter sich, und noch einen langen Weg vor sich.“ (3) „In seinem Wunsch Grund- und Hauptschüler zu unterrichten ist M. M. einer von wenigen Männern.“ (4) „Ich fand (sagt A. H.) diesen Beruf (der Lehrerin) schon immer faszinierend, und habe vorher viel in der Jugendarbeit gemacht.“