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Überzogen – Forderung nach Medienkompetenz

Die Informationstechnologie sei ein Jobmotor oder soll einer werden bzw. künftig noch stärker sein. Wenn dem so ist, dann besteht Anlass zu Optimismus. Dann müssen es die Autoindustrie, die Chemiewirtschaft, der Maschinenbau, die Solarbranche (oder wer sonst noch infrage kommt) nicht alleine richten. Aber was ist im Leitartikel der Stuttgarter Zeitung (vom 9.12.09) zu diesem Thema auch noch zu lesen: Die Schulen sollen zum IT-Wunder beitragen.

Der Kommentator stellt als Frage, was er fordert: „Sollte nicht in allen Schulen Medienkompetenz vermittelt werden?“ Und die Voraussetzung dafür sei, wieder als Frage formuliert, ob nicht die „angehenden“ Lehrer „zwingend“ darin „geschult“ werden sollten? Da könnte der geneigte, der Schule ferne stehende Leser meinen, in dieser Hinsicht geschehe derzeit nichts. Das stimmt aber nicht. Die Lehramtsstudenten bringen bereits von den Hochschulen einiges an Kenntnissen im Umgang mit der Informationstechnik mit und sie werden in den Seminaren für Didaktik und Lehrerbildung zusätzlich „geschult“. Was die Schulen angeht, so wird der Computer seit vielen Jahren im Unterricht eingesetzt. Man dürfte kaum eine finden, in der es nicht einen Computerraum gibt. Schon sehr lange haben wir eine Unterweisung in ITG, in informationstechnischer Grundbildung, die Schüler lernen bereits in den unteren Klassen das Recherchieren im Netz, das Schreiben mit Textverarbeitung, das Versenden von E-Mails; sie setzen bei ihren Präsentationen Power-Point ein, drehen Filme mit ihren Handys und dergleichen mehr. IT und Schule sind sich nicht fremd. Was also fehlt?

Zu kurz kommt nach meiner Einschätzung das, was der Zeitungskommentator wohl nicht im Auge hat: der kritische Umgang mit den Medien. Medienkompetenz ist mehr als eine Technik. Dazu gehört auch das Wissen um ihre Gefahren, die Möglichkeiten des Missbrauchs, als da wären Verstöße gegen den Datenschutz, Verletzungen der Menschenwürde, Manipulationen mit Bildern. Die Schule ist nicht nur dazu da, der IT-Branche zuzuarbeiten, sie hat einen umfassenderen Auftrag: Erziehung und Bildung.
(Blog-Eintrag Nr. 120)

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Überteuert – PISA und IT-Gipfel

Die drei Wörter der Überschrift haben eigentlich nichts miteinander zu tun, könnte man meinen. Haben sie aber doch, wenn man genauer hinschaut und Meldungen der heutigen Tageszeitungen im Blick hat. In der einen, den Stuttgarter Nachrichten lese ich (am 8.12.09) gleich auf der ersten Seite, dass Baden-Württemberg mit dem Ausstieg aus der PISA-Studie drohe, und in der anderen, der Stuttgarter Zeitung, sehe ich am Ende eine ganzseitige Anzeige mit der Mitteilung, dass sich „die Spitzenvertreter der deutschen IT-Wirtschaft … heute in Baden-Württemberg“ zum IT-Gipfel treffen.

Die Drohung mit dem PISA-Ausstieg wird vom Kultusminister damit begründet, dass man wissen möchte, „inwieweit unsere Reformmaßnahmen gewirkt haben“. Dieser Wunsch ist legitim und man müsste eigentlich annehmen, dass der Vergleichstest darüber Aussagen macht oder machen kann, wenn das Land es will. Aber ist das der einzige Grund für die Drohung? Könnte nicht ein zweiter, gewichtigerer Grund die Angst sein, dass sich aus der Studie 2009, die nächstes Jahr erschein, ergibt: Ihr habt in den letzten neun Jahren zu wenig getan, andere sind besser? Da wäre es doch besser, man wäre bei PISA gar nicht dabei. Oder liegt es, wie der Artikel nahelegt, einfach nur am Geld, an den 400.000 Euro, die das Land dafür zahlen muss, dass es mit anderen verglichen wird? Das fände Häckerling skandalös.

Da kommt nun der IT-Gipfel ins Spiel. Eine großartige Veranstaltung, gewiss, aber warum muss dafür vom Land trotz seiner Finanzprobleme auch noch eine ganzseitige Anzeige geschaltet werden? Die Zeitung wird sich über die Einnahme freuen, aber wenn man zur gleichen Zeit die PISA-Finanzierung infrage stellt, endet mein Verständnis für diese großzügige, teure Sanierungshilfe auf Staatskosten.
(Blog-Eintrag Nr. 119)

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Übertölpelt – Diskussion über Religionsfreiheit

Die Diskussion über das unglückliche Schweizer Minarett-Votum zeitigt merkwürdige Aussagen. So steht auf der Titelseite der heutigen Ausgabe von Sonntag Aktuell (6.12.09) eine Überschrift der besonderen Art: „Iran kritisiert Schweiz“. In dem Artikel wird der iranische Außenminister zitiert, der die Schweizer Regierung auffordert, das Ergebnis der Volksabstimmung rückgängig zu machen, da sonst die „krankhafte Furcht vor dem Islam“ wachse und die „Spannungen zwischen dem Islam und dem Christentum“ verschärft würden.

Nun will derlei kein vernünftiger Mensch, nehme ich mal an. Jeder verantwortungsvoll denkende Bürger befürwortet ein friedliches Zusammenleben der verschiedenen Kulturen und Religionen. Nur: ist der Iran befugt, so etwas den Westeuropäern ins Stammbuch zu schreiben? Ausgerechnet der Iran, wo es mit der Religionsfreiheit schlimm steht, wo religiöse Minderheiten, seien sie muslimisch oder christlich, unterdrückt werden, wo alle, die nicht der Staatsreligion angehören, Bürger zweiter Klasse sind? So kann man den Aufruf zur Toleranz, der an sich zu begrüßen ist, ins Absurde ziehen und damit in sein Gegenteil verkehren.

Hättest du geschwiegen, lieber iranischer Minister, so hättest du dem, was du zu erreichen vorgibst, was wir alle erreichen wollen, mehr gedient. So aber gerät der Appell an die Schweiz zur zynischen Attacke auf alle Wohlmeinenden. Denn damit schürt der Iraner genau das, was er angeblich entschärfen will, das Misstrauen der „westlichen“ Bürger gegenüber der „anderen“ Religion, die Angst vor ihrem Missionsdrang und die Sorge um den Verlust an eigener kultureller und religiöser Identität.
(Blog-Eintrag Nr. 118)