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Wieso – weshalb – warum

Zu den althergebrachten Bräuchen des Unterrichtens gehört es, dass die Lehrer Fragen stellen, auf die sie die Antworten bereits kennen. Wenn sie einen Schüler gefunden haben, der die Hand hebt („streckt“) und auf ihre Frage das „Richtige“, nämlich das von ihnen Erwartete, sagt, nehmen sie das als Zeichen zur Fortsetzung des Unterrichts. Dann können sie die nächste Frage stellen.

Es gibt sehr einfache und sehr schwierige Fragen. Beiden ist gemeinsam, dass darauf niemand gerne antworten mag. Die Scherzform der einfachen Frage ist die: Wie lange dauerte der Dreißigjährige Krieg? Als schwierige Frage könnte gelten: Wie kam es zum Dreißigjährigen Krieg? Wer ein kompetenter Lehrer werden will, muss lernen, die richtigen, also Schüler zum Antworten anregende Fragen zu stellen. Aber was sind „richtige Fragen“? Manche wissen auf diese Frage eine einfache Antwort: Mit W-Fragen machst du nichts falsch: wer – wie – was – wieso – weshalb – warum. Die Sesamstraße lässt grüßen.

Nun stellt sich Häckerling allerdings die Frage, ob es mit dem Fragen schon getan ist. Die damit bestückte Unterrichtsform nennt man gerne „fragend-entwickelnd“. Gemeint ist: Die Lehrkraft entwickelt durch ihr Fragen den zu vermittelnden Lehrstoff. Da soll man sich wie bei Sokrates vorstellen, der mit klugen Fragen seine Philosophie entwickelt hat. Sokrates hat aber immer nur Einzelne gefragt und keine Klassen mit 30 Kindern. Stellt man dort eine Frage, dann melden sich, wenn es gut geht, ein paar Gutwillige. Eine oder (seltener) einer von ihnen wird aufgerufen und „darf“ die Antwort sagen. Und dann?

Ist die Antwort richtig, gibt es ein Lob vom Fragenden, ist sie falsch, runzelt die Lehrkraft die Stirn, ruft einen zweiten Gutwilligen auf und dann evtl. noch einen dritten, bis endlich die ersehnte Antwort kommt. Nun ist das Richtige gesagt. Nun wissen alle Bescheid – tun sie es wirklich? Das weiß niemand, nicht einmal der, der unterrichtet.

Ergo: Unterrichten ist mehr als Fragen stellen und passgenaue Antworten einsammeln. Was lernt eigentlich jemand, der sich in dieser Weise „angepasst“ verhält? Wie wäre es, wenn man es sich als Lehrender zum Ziel setzte, die Schüler zum Fragen anzuregen? Und wen sollen sie befragen? Die Lehrkraft zum Beispiel oder den Mitschüler oder das Lehrbuch oder das Internet oder sich selbst.

(Blog-Eintrag Nr. 165)

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