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Abzug oder Nachtermin

Die Regeln des baden-württembergischen Abiturs sind streng. Wenn der Verdacht auf vorherige Verbreitung von Aufgaben besteht, werden diese storniert und durch andere, bereits bereitliegende ersetzt. So geschehen in diesem Jahr in den Fächern Geschichte und Gemeinschaftskunde. Heute (am 7.5.10) steht in der Zeitung, dass es in einem privaten Stuttgarter Gymnasium zu einer unerlaubten Unterstützung beim Abitur in Mathematik gekommen sei. Die Schülerinnen haben einen Hinweis bekommen, der als Vorteil gegenüber den übrigen Abiturienten im Land gedeutet werden konnte. Vor die Alternative gestellt: Wollt ihr noch einmal schreiben oder lieber drei Punkte Abzug?, haben sie sich fürs Nachschreiben entschieden. Das ist nachzuvollziehen.

Für die Schule ist die Geschichte peinlich. Sie hätte das anders lösen können. Denn es gibt die Möglichkeit, beim Korrigieren in Rechnung zu stellen, dass (zum Beispiel) ein Aufgabenteil nicht gelöst werden konnte, weil man sich (mit Wissen der Schulleitung) als Fachschaft geeinigt hatte, auf diesen Lehrinhalt zugunsten eines anderen zu verzichten. Dies hätte man den Zweit- und Drittkorrektoren schriftlich mitteilen können und die hätten das wahrscheinlich akzeptiert. Derlei ist in der Vergangenheit immer wieder geschehen.

Das Problem liegt tiefer und berührt die Grundidee des neuen Bildungsplans von 2004. Der verlangt die Vermittlung von Kompetenzen, also von Fertigkeiten, und ordnet die Inhalte dieser Zielsetzung unter. Wenn es das Ziel ist, dass die Schüler durch den Unterricht in die Lage versetzt werden sollen, dieses oder jenes zu können, ist es zweitrangig, an welchem Inhalt sie diese Kompetenz einüben. Aufs Fach Deutsch bezogen hieße das etwa: Die Abiturienten sollen moderne Gedichte interpretieren können. Ob sie das an Eich oder Huchel oder Domin üben, wäre Sache der Lehrer. Oder: Der Unterricht soll die Schüler dazu befähigen, die Grundideen der Aufklärung darzulegen. Das können sie an Kant oder Voltaire, an Lessing oder Wieland einüben. Im Fach Mathematik gibt es sicher ähnliche Beispiele.

Wie man das Zentralabitur vor diesem Hintergrund künftig gestalten muss, bedarf einer gründlichen Diskussion. Die seit Jahrzehnten im Lande so beliebten „Sternchenthemen“ und ihre inhaltlichen Vorgaben sind nicht mehr zeitgemäß.

(Blog-Eintrag Nr. 179)

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Schule so oder anders

Auch wenn es angesichts üppiger Übergangszahlen als weltfremd vorkommen mag – die Gymnasien werden bald wieder um Schüler kämpfen müssen. Die Zahl der Kinder geht deutlich zurück und daher werden die aus den 1980er Jahren sattsam bekannten Verteilungskämpfe wieder an Wucht zunehmen. Damals waren Schulschließungen nicht im Blick, man hatte genug Geld, auch geschrumpfte Anstalten durchzufüttern. Das kann in einigen Jahren anders werden, denn an der Armut der Kommunen dürfte sich bis auf Weiteres wenig ändern. Im Augenblick steht die Schließung von Hauptschulen an. Sie wird begründet mit der deutlich sinkenden Zahl der Schüler. Nach den Hauptschulen wird man über die Schließung von Grundschulen nachdenken und dann sind die Gymnasien dran.

Welches der vier Gymnasien in Sindelfingen könnte „auf den Prüfstand“ kommen? Das Gymnasium in den Pfarrwiesen mit der traditionell niedrigsten Schülerzahl? Eher nicht. Denn man wird dem Sindelfinger Norden nach der Realschule Eschenried, die in die Innenstadt verlegt wird, nicht auch noch das Gymnasium wegnehmen können. Also wird der Blick auf das Goldberg-Gymnasium (GGS) fallen, das Böblingen und Sindelfingen gemeinsam betreiben.

Das GGS versteht sich als erfolgreiche, gute Schule. In den vergangenen Jahren glaubten das auch die Eltern und meldeten ihre Kinder zuhauf an. Das hat sich inzwischen geändert. Die Anmeldungszahlen sind in den letzten beiden Jahren signifikant zurückgegangen, vor allem im Vergleich zum Gymnasium Unterrieden oder dem Stiftsgymnasium. Offenbar ahnen die Eltern in diesem ältesten Gymnasium der Region allerlei Defizite.

Wenn der Goldberg überleben will, muss er sich sehr anstrengen. Man müsste die Schule gründlich unter die Lupe nehmen – zu evaluieren. Herauszufinden wäre, wo die Schwächen liegen. Ist der Unterricht zu frontal und lehrerlastig und zu wenig schülerbezogen, zu wenig differenziert oder nicht genügend effizient? Hat man die schwächeren und die leistungsstarken Schüler zu wenig im Blick? Ist das Angebot (das Profil) von gestern, das Haus marode, die Betreuung der Kinder zu dürftig? Strahlen die Lehrer und die Leitung zu wenig Begeisterung aus? Hat man sich im Jetzt zu sehr eingerichtet und den Blick nicht entschieden genug auf die Zukunft gerichtet?

Warum im Blog Häckerling diese Fragen gestellt werden? Weil dessen Schreiber das Goldberg-Gymnasium 16 Jahre geleitet hat und ihm daher die Zukunft dieser Schule nicht gleichgültig ist.

(Blog-Eintrag Nr. 178)

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Geld oder Leben

In den einfachen Raub-Geschichten hält einer, in der Regel ein armer Mensch, einem anderen, mutmaßlich reicheren, eine Waffe entgegen und stellt ihn vor die Alternative, zu zahlen oder sein Leben zu riskieren. Der Bedrohte hat meistens keine Wahl. Wenn er die Drohung ernst nimmt und ihm an seinem Leben liegt, es ihm gar lieb ist, muss er zahlen. Und das tut er dann auch.

Unsere Geschichte mit den Griechen ist nicht so einfach. Es wird keine Waffe gezückt und es geht auch nicht ums Leben. Oder vielleicht doch? Ist nicht die Waffe der drohende Staatsbankrott der Hellenen und steht nicht, wenn der eintritt, unsere Lebensqualität auf dem Spiel? Offenbar deuten wir es so, denn an der liegt uns viel. Und daher zahlen wir auch. Also ist es doch eine einfache Geschichte?

Wenn man etwas genauer auf das hört, was die Ökonomen sagen, so ist es die Geschichte nicht ganz so einfach. Dass die Griechen hoch verschuldet sind, liegt sicher zu einem nicht geringen Teil an ihnen selbst und ihrer Art zu wirtschaften. Aber mitgeholfen haben auch andere. Die Finanzkrise hat bekanntlich nicht in Athen ihren Anfang genommen. Und dass deutsche Banken zig Milliarden Euro bei den Griechen „gut“ haben und nun zu verlieren drohen, wurde eher am Main denn am Golf von Korinth entschieden. Wenn Häckerling die Geschichte richtig versteht, so retten wir diese deutschen Banken (und den Euro, unseren Exportgaranten), wenn wir die Griechen retten.

Nun könnten uns normal Sterbliche sowohl die Hypo Real Estate als auch die Commerzbank völlig egal sein. Sie können es aber nicht, denn wenn die kollabieren, dann droht unser gesamtes Finanz- und Wirtschaftssystem zu bröckeln, sagt man. Und wenn das stimmt, was zu beweisen oder zu widerlegen unsereinem nicht möglich ist, dann geht es letzten Endes bei der griechischen Frage doch um unser eigenes Leben und damit unsere deutsche Lebensqualität. Oder habe ich da etwas nicht verstanden?

(Blog-Eintrag Nr. 177)