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Regenbogenstreit

Der Regenbogen ist in der biblischen Tradition das Symbol des Friedens. Derzeit stiftet er Unfrieden. Es bedurfte am letzten Samstag (10.10.15) polizeilicher Präsenz, um ein gewalttätiges Aufeinandertreffen von „Vielfalt“-Gegnern und –Befürwortern zu verhindern. Gestern berichtete die Zeitung, dass die Regenbogen-Gegner verlangen, der Stuttgarter Oper die Zuschüsse zu kürzen, weil sie mit einem Transparent Partei für die „Vielfalt“ ergriffen hat. Da tut es gut, einen Blick auf den Anlass dieses Streits zu werfen, den Entwurf des Bildungsplans 2016 und dort auf die Leitperspektive für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt. Es heißt darin: In der modernen Gesellschaft begegnen sich Menschen unterschiedlicher Staatsangehörigkeit, Nationalität, Ethnie, Religion oder Weltanschauung, unterschiedlichen Alters, psychischer, geistiger und physischer Disposition sowie geschlechtlicher Identität und sexueller Orientierung. Vermutlich sind es die letzten beiden Stichwörter, die den Unmut der Vielfalt-Gegner auslösen. Vielleicht würden sie ja sogar noch zugeben, dass es besagte Unterschiede gibt, ihre Benennung im Schulkontext aber lehnen sie ab. Zumal die Leitperspektive fordert, diese Unterschiede zu respektieren, zu achten und wertzuschätzen. Das geht nun wirklich nicht in die Köpfe der Regenbogen-Hasser. Schlimm genug, dass es so was wie Schwule und Lesben gibt, sie auch noch zu achten, ihnen mit Wertschätzung zu begegnen und sie zu allem Überfluss zum Thema in der Schule zu machen, das gehe nun wirklich nicht, meinen sie. Offenbar wünschen sie sich ein Schulleben, in dem – wie im 19. Jahrhundert – alle Fragen „sexueller Orientierung“ tabu sind. Man fragt sich, ob diese Menschen in letzter Zeit auch nur einen kurzen Blick auf die schulische Realität geworfen haben.

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Rangeleien

Mit diesem Wort, es kommt in dem Bericht der Stuttgarter Zeitung (3.2.14) gleich zweimal vor, werden die Attacken bei den Demonstrationen der Gegner und Befürworter sexueller Vielfalt als Thema im Unterricht bezeichnet. Man denkt spontan an die Kirchenkämpfe im dritten Jahrhundert, als die Vertreter unterschiedlicher Beschreibungen der zwei „Naturen“ Christi gewalttätig aufeinander losgegangen sind – kein Ruhmesblatt in der Geschichte der Alten Kirche.

Was das Demonstrieren angeht, sind wir heute weiter. Niemand hat ernsthaft etwas dagegen, jeder darf eine Demo anleiern, jeder daran teilnehmen. Und die Polizei geht mit, um die Protestierenden zu schützen. Nach den Ereignissen vom Samstag fragt man sich: Müssen sich Menschen mit unterschiedlichen Meinungen „rangeln“? Reicht ihnen die Kraft der Argumente nicht? Halten sie es nicht aus, dass jemand eine andere Position vertritt als sie? Da wünscht man sich doch dringend eine klare Vorgabe für den Bildungsplan 2015: Meinungsunterschiede sind erlaubt und ein Markenzeichne der Demokratie, aber die Position des anderen ist zu tolerieren, die Auseinandersetzung darüber erfolgt mit Hilfe der Sprache und nicht der Fäuste.

Was mich an dem Gerangel um die sexuelle Vielfalt am meisten stört, dass es die wichtigen Hauptfragen an den neuen Bildungsplan überdeckt und verhindert. Fragen wie: Was ist guter Unterricht? Wie kann es gelingen, der Vielfalt der Kinder und ihrer unterschiedlichen Begabungen mit vielfältigen Lernwegen gerecht zu werden? Denn nicht die Heterogenität der sexuellen Anlagen ist das Bildungsproblem Nummer 1, sondern die Heterogenität der Leistungsfähigkeit und Leistungsvoraussetzungen. Leider ist das Papier des Kultusministeriums mit den Vorgaben für die Bildungsplaner bei diesem Thema noch sehr geheim. Wer macht es öffentlich?

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Sexualerregungen

Während man sich über die Unterdrückungsmechanismen im Russland Putins aufregt und des Ex-Stuttgarters Hitzelsberger Selbstoffenbarung mit Lob bedenkt, leisten wir uns hier einen merkwürdigen Streit. Eine Petition gegen Vorgaben für die Entwicklung des neuen Bildungsplans findet offenbar großen Zuspruch. Dazu zunächst ein Blick in die Quelle:

Die Kinder und Jugendlichen müssen in der Lage sein, ihre eigenen Wertvorstellungen und Haltungen zu reflektieren und weiter zu entwickeln (sic!), Probleme und Konflikte friedlich zu lösen bzw. auszuhalten, aber auch Empathie für andere entwickeln zu können und sich selbst bezüglich des eigenen Denkens und Fühlens zu artikulieren und – wenn nötig – auch zu relativieren. Das macht es auch erforderlich, die Perspektiven anderer Personen und Kulturen übernehmen zu können, Differenzen zwischen Geschlechtern, sexuellen Identitäten und sexuellen Orientierungen wahrzunehmen und sich für Gleichheit und Gerechtigkeit einsetzen zu können.

Was ist an diesen Zielsetzungen so schlimm? Das Reflektieren der eigenen Wertvorstellungen, der Erwerb von friedlichen Strategien zur Konfliktlösung, die Entwicklung von Empathie, die Fähigkeit, sein eigenes Empfinden zu relativieren und die eigene Sicht nicht absolut zu setzen oder der Einsatz für Gerechtigkeit? Nein, es geht den konservativen Petitionisten um die Zielsetzung, sich mit anderen sexuellen „Orientierungen“ auseinanderzusetzen. Offenbar ist es nicht nur schlimm, dass es sie gibt, sondern dass junge Menschen sie auch noch „wahrnehmen“ sollen.

Etwas kurios mutet ein Lernziel an, das sich für das Kultusministerium daraus ergibt:

Schülerinnen und Schüler setzen sich mit der eigenen geschlechtlichen Identität und Orientierung auseinander mit dem Ziel sich selbstbestimmt und reflektiert für ein ihrer Persönlichkeit und Lebensführung entsprechendes Berufsfeld zu entscheiden.

Die Selbstverständlichkeit, sich seiner eigenen geschlechtlichen Identität bewusst zu werden, wird mit der Berufswahl gekoppelt. Als ob nur im Berufsleben und nicht auch in der Freizeit – vgl. die schöne Welt des Fußballs – die Probleme aufträten. Und noch ein Lernziel:

Schülerinnen und Schüler haben einen vorurteilsfreien Umgang mit der eigenen und anderen sexuellen Identitäten

Ein wichtiges Ziel, finde ich: der pädagogische Kampf gegen Vorurteile, Stereotypen, Fehleinschätzungen. Was will man dagegen einwenden?