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S einundzwanzig

Nachdem sich inzwischen fast alle zu „Stuttgarteinundzwanzig“ geäußert haben, die einen dafür, die andern dagegen, wird es nachgerade peinlich, dass Häckerling im Chor der Meinungsstimmen fehlt. Das wird jetzt endlich nachgeholt.

Sie ist zur Gretchenfrage im Raum Mittlerer Neckar geworden, die Frage: „Wie hältst du’s mit Stuttgart 21?“ Wenn man dagegen ist, darf man sich eins fühlen mit vielen ehrenwerten älteren Herrschaften – und auch einigen jüngeren, um bei der Wahrheit zu bleiben. Was teuer ist, wobei Bäume gefällt und Seitenflügel abgerissen werden, was eigentlich nichts bringt außer Baustellen, das kann nichts Rechtes sein. Wer es wagt, ein Wort für das Projekt einzulegen, gerät schnell ins Abseits und wird zum „Denkmalzerstörer“, Baumfäller und Geldverschwender.

Und welche Meinung wird in diesem Blog vertreten? Die Antwort lautet: keine. Warum das? Weil Häckerling zu der Ansicht gelangt ist, dass ihn die Sache eigentlich nichts angeht. Er ist kein Stuttgarter, er ist zu alt und er kann sich sowieso nicht zwischen den Meinungsangeboten entscheiden.

Zugegeben, das Argument, kein Stuttgarter zu sein, ist schwach, denn schließlich fahren auch durch den Kreis Böblingen ein paar Züge und die kommen aus Stuttgart. Das Argument mit dem Alter ist schon gewichtiger. Wenn S 21 im Jahre 2021 fertig sein sollte, ist es dem Schreiber dieser Zeilen wahrscheinlich völlig egal, ob er – falls überhaupt – einen ICE (wenn es den noch geben sollte) unterirdisch oder in einem Kopfbahnhof besteigt. Wichtig würde ihm dann vielleicht sein, ob der Zugang zu den Bahnsteigen behindertengerecht und ob die Bahnhofsmission noch erreichbar ist. Will sagen: Ihr Alten, lasst doch die reden, protestieren und demonstrieren, die es betrifft!

Drittens: Welche Meinung ist die richtige? Der Schreiber dieser Zeilen hängt weder am Kopfbahnhof, dieser Schnapsidee des württembergischen Königs, noch an den Seitenflügeln, deren Schönheit sich ihm noch nie erschlossen hat, noch an Bäumen; die wachsen auch wieder. Und das Geld? Das wächst auch nach.

Ärgern würde sich Häckerling aber über planerische Fehler, korrupte Baufirmen und das Verschweigen von Problemen, die es immer gibt. Aber, wie gesagt, es geht ihn ja eigentlich nichts an.

(Blog-Eintrag Nr. 206)

2 Antworten auf „S einundzwanzig“

Häckerling redet sich mit dem Alter und seinem Wohnsitz im Kreis BB heraus. Hardy vermutet also, dass er sein Ansehen hinsichtlich seiner Weis- und Klugheit durch dieses Thema nicht in Gefahr bringen möchte. Beim Denkmalschutz hat er dann doch noch Stellung bezogen und sogar posthum auf ein Ärgernis mit royalem Ursprung hingewiesen. Was nun Häckerling?

Hardy kommt ziemlich häufig an den Nordausgang. Er hat den sicheren Eindruck gewonnen, dass nicht die über 55-Jährigen die Mehrheit der dortigen Demonstranten oder Interessierten stellen, zu denen wohl aus gemeinsamer Sicht von Häckerling und Hardy die Älteren gehören. Also finden sich da mehrheitlich die Menschen, die einiges an Lasten übernehmen müssten, die von diesem Projekt her möglicherweise noch ausgelöst werden. Man kann ihren Widerstand wohl verstehen. Das gilt umso mehr, als die leibhaftige Gefahr besteht, dass die jetzt vorgetragene Kostenschätzung künftig überschritten wird.

Das Bedauerliche ist nur, man weiß eben nicht, ob der derzeitig veröffentlichte Kostenrahmen ausreicht oder gesprengt wird.

Hardy meint, dass das Projekt nicht weiter betrieben werden sollte, wenn seine Betreiber heute schon wissen oder wissen müssten, dass die vorgelegten Finanzzahlen Makulatur sind. Das erklären sie uns aber nicht und so steht der arme Bürger im Regen der Unsicherheit.

Die Frage ist folglich, ob man den Projektverantwortlichen notorisches Lügen unterstellen kann und darf. Hardy hat Skrupel, dies zu tun, weil ihm die stammtischerprobte Unterstellung fremd ist, dass Politiker, Beamte und Bahnfachleute grundsätzlich die Unwahrheit sagen. Daher meint er, dass man die Bauarbeiten weiterführen sollte, die Stuttgart Vorteile bringen dürften, wenngleich diese letztlich wohl nicht exakt in Euro und Cent, Stunde und Minute sowie Ästhetikgewinnen definiert werden können.

Das Thema Geld ist natürlich wichtig, s.o., könnte man damit ja auch andere Wohltaten finanzieren. Fragt sich aber einerseits, welche Politiker welche Wohltaten meinen und überhaupt finanzieren würden oder ob das gute Geld dann für Zwecke ausgegeben werden würde, die nichts mit dem Großraum Stuttgart zu tun hätten. Wenn man andererseits bedenkt, welche zum Teil unsinnigen Projekte von der öffentlichen Hand bezahlt werden – man lese nur den jährlichen Bericht des Bundesrechnungshofs, der vom Bund der Steuerzahler genüsslich kolportiert wird – und welche Summen hierbei ausgegeben werden, dann kann man sich aus Hardys Sicht dem Abenteuer S 21 stellen.

Richtig wohl ist es Hardy bei seiner Meinung allerdings nicht; aber wann hat man schon an einer politischen Entscheidung rundherum Gefallen?

Es gibt, da hat Hardy zweifellos recht, selten ein Großprojekt, das die ungeteilte Zustimmung aller findet. So sehen nicht alle Karlsruher einen Sinn in den derzeit im Bau befindlichen unterirdischen Fahrwegen für ihre Straßenbahn. Der neue Berliner Hauptbahnhof war lange strittig, desgleichen die Art und Weise, wie der Potsdamer Platz gestaltet werden sollte. Das Berliner Stadtschloss wird heftig befehdet, das Konzerthaus der Hamburger an der Elbe nicht weniger. Die neue Stuttgarter Bibliothek wird attackiert, warum sollte da der neue Stuttgarter Bahnhof unumstritten sein? Wie es sein wird, wenn er fertig ist, wir wissen es in der Tat nicht.
Dass etwas teurer wird als geplant, ist normal. Das hat selten etwas mit Lügen zu tun, sondern mit den Grenzen der Planbarkeit. Daher leuchtet mir das Argument, ich bin gegen S 21, weil es teurer wird als behauptet, nicht ein. Ich würde aber dann gegen alles sein, wenn sich der Eindruck verfestigte, die deutschen Ingenieure seien durch die Bank Pfuscher, die Baufirmen völlig korrupt und die verantwortlichen Politiker allesamt verantwortungslos. Denn das wäre das Ende des funktionierenden Staatswesens Deutschland und der Einstieg in das, was auf Plakaten von Demonstranten zu lesen war: Ba(h)nanenrepublik. Aber sind wir wirklich schon so nahe an der Anarchie?

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