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Gauweilerei

Ein Name, der zu altväterlichem Gebaren verpflichtet, Gauweiler (1), derzeit eine der wichtigen Führergestalten bei der Aefde. „Weiler“, so nennen wir kleine, ländliche Wohnstätten. Das Wort „Gau“ hatte einst, im so genannten „Dritten Reich“, Konjunktur. Stämme und Volksgruppen repräsentierten Gaue als völkisch einheitliche Bereiche. Dem heutigen Gauweiler geht es um eben dies, um das Wohnen in einer von deutschen Einheitsmenschen bevölkerten Region. Dort ist alles überschaubar. Dort leben Leute, die einigermaßen gleich aussehen. Gut wären blondes Haar, weiße Haut, eine üblich geformte Nase, züchtige Kleidung. Gut wäre auch ein heimeliger Dialekt. In diesen Gauweilern werden sexuelle Abweichungen nicht geduldet, nur das Normale ist zulässig. Auch die Familien haben normal zu sein. Die Gedanken sind dort zwar frei, aber es wäre gut, wenn sie schlicht wären, denn alles Komplizierte verwirrt nur. Alles Weltläufige führt die Menschen bekanntlich in die Irre. Die Schwarzen, Roten und Gelben, die Juden und Muslime dürfen gerne so sein, wie sie sind, aber nicht bei uns. Sie gehören dahin, wo der Pfeffer wächst, wo sie (einst) hergekommen sind, nach Afrika, Vorder- oder Hinterasien, in die amerikanischen Reservate oder an den Nordpol. Solche sollen nicht in unserer Nachbarschaft wohnen. Wo kämen wir hin? Das deutsche Wesen könnte dadurch Schaden nehmen. Wir wollen endlich wieder unter uns sein. Nur dann können wir unsere geliebte Engstirnigkeit weiter pflegen, bei Volksfesten, bei Volksmusik- und Trachtenabenden, beim Hocken in Wirtschaften oder unter der Dorflinde.

(1) Er heißt ein wenig anders, ich weiß, aber um der Pointe willen sei er hier so benannt.

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Debattenlos

Einer der besten Sätze im Entwurf des grün-schwarzen Koalitionsvertrags für Baden-Württemberg lautet: Für uns geht es in den kommenden Jahren nicht um Debatten über Schulstrukturen. Das ist schon deshalb erfreulich, weil solche Debatten nichts bringen. Vor allem aber beherzigen die neuen grün-schwarzen Koalitionäre endlich eine uralte Erkenntnis der Bildungsforschung: dass es nicht die Schulform ist, die den Erfolg eines Kindes fördert oder behindert, sondern die Qualität des Unterrichts. Über den steht nun leider wenig im Koalitionsvertrag. Man findet dort die allseits bekannte Feststellung, dass die Qualität des Unterrichts […] ganz besonders von der Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer abhänge. Und auch die folgenden Sätze sind wohlfeile Banalitäten: Gute und motivierte Lehrerinnen und Lehrer sind der Schlüssel zum Erfolg. Für ihre verantwortungsvolle Aufgabe brauchen sie eine hochwertige Ausbildung, verlässliche Rahmenbedingungen und eine hohe Wertschätzung. Beim Schlüssel zum Erfolg fehlt das Genitivattribut: Um wessen Erfolg geht es? Den der Regierung oder den der Schülerinnen und Schüler? Was ist eine hochwertige Ausbildung? Welche Rahmenbedingungen sollen verlässlich sein? Es folgt ein Versprechen, allerdings in Wunschform: Wir möchten Fortbildungs- und Beratungsangebote noch gezielter auf die innere Entwicklung der einzelnen Schule ausrichten. Steigerungen sind sprachliche Nebelkerzen; noch gezielter – soll das heißen, man hat bisher mit der Fortbildung daneben geschossen und will nun die Treffsicherheit erhöhen? Die innere Entwicklung der einzelnen Schule, das klingt sehr vage. Entwicklung wohin? Mit welchem Ziel? Werden Ziele vorgegeben oder darf sich jede Schule welche ausdenken? Wird diese Entwicklung auch künftig evaluiert? Der Koalitionsvertrag ist an diesem Punkt so dürftig, dass die praktische Umsetzung nur noch besser werden kann.