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Inflationäre Gutnoten

Das Phänomen ist bekannt: Die deutschen Abiturnoten beruhen auf unterschiedlichen Leistungsanforderungen in den einzelnen Ländern. Trotz jahrzehntelanger Bemühungen ist es ihnen nicht gelungen, die Anforderungen in der gymnasialen Oberstufe so anzugleichen, dass man von „Gerechtigkeit“ reden könnte. Manche werden sich an die Zeiten des Bonus und Malus erinnern, den Abzügen und Zuschlägen zum Numerus Clausus, mit denen die Länder ihren Landeskindern bessere Chancen verschaffen wollten. Dass die Ergebnisse beim Abitur ständig besser werden – kaum jemand ist nicht „gut“ – beruht keineswegs auf besseren Leistungen, sondern auf dem freundlichen Entgegenkommen der Schulverwaltungen, dem sich auch die korrigierende und bewertende Lehrerschaft nicht verschließen kann. Wenn angesichts dieser bundesweiten Ungerechtigkeit nun der Deutsche Philologenverband fordert, über die Bedeutung der Note „sehr gut“ nachzudenken, hat er Besseres verdient als routinierte Politikerreaktionen („Eisenmann gegen …“). Wann ist eine Leistung besser als gut, also „sehr“ gut? Das ist seit 1968 so definiert: wenn sie den Anforderungen „in besonderem Maße entspricht“. Nun ist diese Definition leider nicht sehr aussagekräftig. Klar aber ist: ein Sehrgut kann es nicht dafür geben, dass jemand „alles richtig“ gemacht hat, es muss noch etwas „Besonderes“ bei der Lösung hinzukommen, ein wenig Genialität oder wenigstens Originalität. Es wäre „gut“, wenn die KMK sich mal wieder an ihre eigenen Festlegungen erinnern würde. Und „sehr gut“ wäre es, wenn sie sich nicht nur zu einer neuen, präziseren, bundesweit vergleichbaren und damit gerechten Notendefinition durchringen, sondern auch noch die Erwartungen in der gymnasialen Oberstufe vereinheitlichen könnte.

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