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Über Kirche und Politik

Das hat sie immerhin schon erreicht, die Bischöfin und EKD-Vorsitzende Käßmann: dass endlich wieder einmal über die Rolle der Kirche(n) im Staat diskutiert wird. Man stellt sich die (oder der) Frage, ob sich „die Kirche“, Frau K. also, in das Politische „einmischen“ soll oder ob ihr Zurückhaltung bzw. Schweigen anzuraten sei. Die Antwort hängt meistens davon ab, ob die geäußerte Meinung der eigenen entspricht oder eher widerspricht.

Häckerling sagt grundsätzlich ja, gibt aber zu bedenken, dass kirchliche Statements zu politischen Fragen einen angemessenen Rahmen (oder Kontext) brauchen, um ihre Wirkung zu entfalten und ernst genommen zu werden. Anders gesagt: Es ist ein Unterschied, ob ich mich in einer Predigt in religiös gestimmter Sprache gegenüber der vor mir sitzenden Gemeinde zu einer politischen Frage wie dem Bundeswehreinsatz äußere oder in einer Talkshow plaudere oder in einer Denkschrift Stellung beziehe. Die Predigt ist der „Seelsorge“ verpflichtet, die Talkshow bedient das Unterhaltungsbedürfnis, die Denkschrift will einen Beitrag zur Diskussion leisten.

Geistliche und also auch Bischöfe sind in weltlichen (politischen) Fragen nicht per se klüger als andere Staatsbürger. Sie haben die Auslegung der biblischen Bücher gelernt. Sie können diese alten Texte auf die Welt von heute beziehen, aber ihre Kenntnisse dieser heutigen Welt sind naturgemäß beschränkt. Daher reden sie manchmal naiv oder undeutlich oder auch inkompetent daher. Das darf man ihnen nicht übel nehmen, denn wir alle sind in dieser Hinsicht beschränkt und daher fehlbar.

Also verdient Frau K. ob ihrer „Predigt zum Afghanistaneinsatz“ Nachsicht. Anzuraten ist ihr aber etwas mehr Vorsicht beim Reden über Politisches. Ein Zeichen von Weitsicht wäre es, wenn sie eine fachlich fundierte offizielle Äußerung der EKD zum Thema „kriegsähnliche Einsätze der Bundeswehr“ auf den Weg oder – falls es die schon geben sollte – in Erinnerung bringen würde.

(Blog-Eintrag Nr. 136

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Über Katastrophen

Katastrophen bleiben der Menschheit nicht erspart. Immer wieder geschieht eine, die das Maß des „Normalen“ sprengt und sich daher dem kollektiven Gedächtnis einprägt. Darauf muss auch die Schule reagieren, vor allem in den Fächern Religion, Ethik, Gemeinschaftskunde und Deutsch. Ansätze gibt es genug.

Schon auf den ersten Seiten der Bibel wird von einer Katastrophe berichtet: der Sintflut, einer Überschwemmung besonderen Ausmaßes. Sie wird, dem Denken der damaligen Zeit gemäß, als von Gott nicht nur gewollt, sondern auch ausgelöst gedeutet und mit der „Schlechtigkeit der Menschen“ begründet. Der „Herr“ vernichtet das Böse, genauer: er ersäuft alle Menschen, deren Tun (von den Autoren der Bibel) als moralisch minderwertig angesehen wird. Ob man ihn mit dieser Interpretation richtig versteht, dürfen wir, also auch die Schüler von heute, mit Fug bezweifeln.

1755 war das Erdbeben von Lissabon, vermutlich verbunden mit einem Tsunami. Zwischen dreißigtausend und hunderttausend Menschen sollen dabei umgekommen sein. Voltaire nahm das Ereignis zum Anlass, über die beliebte Theorie von der „Besten aller Welten“ (Leibniz) zu spotten. In der religiösen Diskussion wurde die Theodizee-Frage akut: Wie kann Gott so etwas Furchtbares zulassen?

Diese Frage wird man auch jetzt wieder hören. Das Haiti-Erdbeben scheint in seiner Gewalt, seiner Zerstörungs- und Tötungskraft und deren Folgen, ungeheure Ausmaße zu haben. Aber bevor man Gott deswegen attackiert ist zu fragen: Wer hat dieses Land schon vor dem Erdbeben zerstört, politisch und technisch? Jeder konnte offenbar wissen, welche Kräfte sich in dieser Gegend im Erdinnern zusammenballen. Man musste es und tat offenbar nichts. Warum nicht?

Vielleicht sollten die Deutschlehrer wieder einmal über die nächste Lektüre in ihrem Unterricht nachdenken. Da gibt es zum Beispiel zwei Texte von Heinrich von Kleist: „Das Erdbeben in Chili“ und „Die Verlobung in Santo Domingo“. Mit ihnen ließe sich das Lesen klassischer Literatur mit Ereignissen der Gegenwart verbinden. Kleist selbst greift in der „Verlobung“ aktuelle politische Ereignisse seiner Zeit auf.
(Blog-Eintrag Nr. 135)

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Über Argumente

Klar ist, dass Sindelfingen sparen muss, klar ist auch, dass der Oberbürgermeister darüber reden sollte. Da bietet sich der Neujahrsempfang an; hier sind klärende Worte gefragt. Die sehen dann so aus wie die Überschrift in der Sindelfinger Zeitung: „Nicht hinter Argumenten verschanzen“. (11.1.10) Gemeint sind mit diesem Zitat zum Beispiel jene, die sich mit rechtlichen Mitteln gegen die Schließung der Hauptschule im Klostergarten wehren.

„Nicht hinter Argumenten verschanzen“: Ein solcher Satz verstört. Sollte es im politischen Geschäft nicht immer um Argumente gehen? Stadtverwaltung und Gemeinderat tun auch nichts anderes als argumentieren. Es kann ja sein, dass sie der Überzeugung sind, gute Argumente für ihre Entscheidung zu haben. Jedenfalls wollen sie keinen Fußbreit zurückweichen und ihre Entscheidung durchziehen. In der Sprache des Stadtoberhaupts: Auch sie „verschanzen“ sich. Nur würde der Oberbürgermeister es so nicht nennen. Die Verschanzer, das sind die anderen, zum Beispiel die Schließungsgegner. Sie sind mit ihren „noch so guten Argumenten“ im Unrecht. Warum eigentlich? Weil sie nicht bereit sind, die ihnen zugedachte Rolle als Finanzopfer demütig anzunehmen?

Recht hat der Neujahrsredner mit der Feststellung, dass wir so „keinen Schritt vorankommen“. In der Tat: Gegner, die sich „verschanzen“, richten sich auf eine längere Belagerung ein und warten, dass der andere die weiße Fahne schwenkt. Vielleicht wäre es besser, die Schanzen zu schleifen und sich aufeinander zuzubewegen.

(Blog-Eintrag Nr. 134)