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Entern oder kentern

Es gibt Überschriften, deren Charme man sich kaum entziehen kann. Diese hier, gefunden in der Stuttgarter Zeitung vom 18.5.10, beschäftigt sich mit den Sorgen und Nöten der Piratenpartei. Sie stehe angesichts des Prozesses gegen eines ihrer prominenten Mitglieder (Tauss) vor einer Bewährungsprobe. Gelingt ihr, so wird gefragt, mit dem Thema „Freiheit im Netz“ der Durchbruch oder rutscht sie in die Kinderporno-Ecke? Wahrlich eine aufregende Alternative.

Man vergleicht die Anfänge der „Piraten“ gerne mit denen der Grünen. Da ist einiges dran, denn auch die Grünen besetzten einst ein Thema, das von den andern Parteien eher stiefmütterlich behandelt wurde. Der Schutz der Umwelt war weder im Osten – der Marxismus kennt gar keine „Natur“, er sieht sie als bloßes Menschenwerk – noch im Westen wichtig. Dort waren die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg geprägt vom Wiederaufbau und dann Ausbau. Die Natur wurde zum Rohstoff, zur „Ressource“, ihre Endlichkeit und Gefährdung blieben außer Betracht. Erst mit dem „Waldsterben“, das heutzutage schon wieder vergessen ist, wuchs die Sensibilität.

Doch im Gegensatz zur Natur ist das Internet eher unsichtbar. Vom Waldsterben gab es Bilder, die Versiegelung der Landschaft war jedem vor Augen, die Gefahren der Atomnutzung kamen mit Tschernobyl ins öffentliche Bewusstsein. Aber die Gefahren durch die Speicherung, Nutzung und ökonomische Verwertung von persönlichen Daten bleiben ebenso mysteriös wie die Beseitigung, Sperrung und das Verbot der Verbreitung von Informationen im Netz. Man kann auch sagen: es bleibt „virtuell“. Aber was ist „real“ am Virtuellen?

Und was wollen die „Piraten“ eigentlich tun, wenn es ihnen tatsächlich gelingt, das Schiff (welches Schiff?) zu entern? Piraten sind bekanntlich Seeräuber – was möchten die politischen Piraten rauben?

(Blog-Eintrag Nr. 183)

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Unrühmliche Forderungen 4 oder Bildungspolitische Ziele der Grünen

Die Bündnis-Grünen tragen ein paar deutliche Töne zum Bildungskonzert des Wahlkampfs 2009 bei. Sie wollen (heißt es im September-Heft von „Profil“) den „fächerübergreifenden Unterricht“ fördern. Warum das? Den gibt es doch schon, im Gymnasium von Baden-Württemberg zum Beispiel in Gestalt der Fächer „Naturphänomene“ sowie „Naturwissenschaft und Technik“. Ab Klasse 8 ist es sogar Hauptfach. Was also soll noch dazukommen, wenn es sich nicht nur um gewöhnliche Projekte handeln soll, in denen mehrere Fächer zusammenwirken? Denn auch das gibt es (in Baden-Württemberg) schon seit vielen Jahren. Dass solcher Unterricht nur in „Teams“ geschehen kann, ist klar, dass die Grünen „Erzieherinnen und Sozialpädagoginnen“ hinzuziehen wollen, lässt ahnen, dass sie nicht nur Fächer verbinden, sondern Institutionen zusammenführen wollen. Mit welchem Ziel?

Die Grünen wollen eine Gesamtschule bis Klasse 9, nennen sie aber „Gemeinschaftsschule“. Oder ist das der Name einer ganz anderen, neu zu entwickelnden Schulform? Wenn es sich dabei nicht um eine verlängerte Grundschule handelt, müssten wir schon mehr erfahren. Welchen Unterricht soll es dort geben? Wie wird der zwangsläufig größeren Heterogenität der Schüler Rechnung getragen? Welche Differenzierungsmaßnahmen sind vorgesehen? Wie viele Sprachen kann man zum Beispiel (ab wann) dort lernen? Was folgt auf die neun Jahre in der Gemeinschaftsschule? Gibt es danach noch ein Gymnasium? Wenn ja, wie sähe die Klasse 10 für die anderen aus? Welche Prüfungen stehen am Ende der gemeinsamen Zeit? Wie würden die derzeitigen Lehrkräfte auf die schwierige Aufgabe, in einer solchen Schule zu unterrichten. vorbereitet?

Sehr zustimmen kann man der grünen Forderung nach Investitionen nicht nur in Gebäude und Ausstattung, sondern „in mehr hochqualifiziertes Personal“. Doch wie bekommt man das? Wird es als Anreiz Unterschiede in der Bezahlung zwischen den „Normalen“ und den „Hochqualifizierten“ geben? Von Bonuszahlungen dürften die Grünen sicher nichts halten.

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Unausgereifter Vorschlag oder Wie Grüne die Schule neu denken

Heute (am 4.9.09) lesen wir in der Stuttgarter Zeitung wieder einmal Erhellendes zur Schulpolitik. So wollen die Grünen, heißt es, die Bildungsempfehlung am Ende der Grundschulzeit abschaffen. Sie bedeute Stress für die Kinder. Daran ist etwas Wahres. Wobei manchmal der Stress der Eltern noch größer ist. Aber wodurch soll dieses (zugegeben problematische Auswahlverfahren ersetzt werden? Davon steht in dem Artikel leider nichts.

Die Antwort findet man auf der Heimatseite (Homepage) der grünen Partei. Und sie ist anders, als man erwartet hat. Es geht den Grünen gar nicht um ein anderes Verfahren des Übergangs auf die weiterführenden Schulen, es geht ihnen um deren Abschaffung. Warum? Sie wollen die Schule „neu denken“.

Das sieht so aus: Die Aufteilung auf verschiedene Schulen (Hauptschule, Realschule, Gymnasium) führt nach Meinung der Grün-Alternativen zu einer Unterdrückung von Begabungen, weil man die nämlich im Alter von zehn Jahren noch gar nicht erkennen könne. Woher wissen die Grünen das? Auch würden durch das dreigliedrige Schulsystem die Reichen bevorzugt, weil die Armen und Migranten sich das Gymnasium und die Realschule nicht leisten könnten. Daher, wird gefolgert, sei die „Selektion“ (Darwin lässt grüßen) nach der vierten Klasse abzuschaffen. Die Kinder sollen bis Klasse 9 zusammenbleiben und gemeinsam lernen. Und warum nicht bis zur zehnten? Wahrscheinlich haben die Grünen neue Erkenntnisse der Begabungsdiagnose und meinen daher zu wissen, dass man Fünfzehnjährige besser „selektieren“ kann.

Die Kinder lernen also neun Jahre gemeinsam. Aber natürlich soll man trotzdem ihre unterschiedlichen Begabungen fördern und sie „differenziert“ unterrichten. Das wird nicht einfach, denn die Unterschiedlichkeit der Begabungen und Lerntypen ist sehr viel größer, wenn alle Schülerinnen und Schüler, die derzeit noch auf drei Schularten verteilt sind, in einer Klasse sitzen.

Wo lernen die künftigen Lehrer diese neue, anspruchsvolle Art des Unterrichts? Nicht wie bisher in einem Referendariat, das wird, wenn es nach den Grünen geht, abgeschafft. Sie lernen es in den Schulen. Dort werden sie von Mentoren begleitet. Ich frage mich, wie das gehen soll, dass die neuen Lehrer die dringend gebotene neue Art des (differenzierten, allen Begabungen gerecht werdenden) Unterrichtens von den „alten“ Lehrern lernen. Die können das ja leider auch nicht. Von wem lernen sie?