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Unausgereifter Vorschlag oder Wie Grüne die Schule neu denken

Heute (am 4.9.09) lesen wir in der Stuttgarter Zeitung wieder einmal Erhellendes zur Schulpolitik. So wollen die Grünen, heißt es, die Bildungsempfehlung am Ende der Grundschulzeit abschaffen. Sie bedeute Stress für die Kinder. Daran ist etwas Wahres. Wobei manchmal der Stress der Eltern noch größer ist. Aber wodurch soll dieses (zugegeben problematische Auswahlverfahren ersetzt werden? Davon steht in dem Artikel leider nichts.

Die Antwort findet man auf der Heimatseite (Homepage) der grünen Partei. Und sie ist anders, als man erwartet hat. Es geht den Grünen gar nicht um ein anderes Verfahren des Übergangs auf die weiterführenden Schulen, es geht ihnen um deren Abschaffung. Warum? Sie wollen die Schule „neu denken“.

Das sieht so aus: Die Aufteilung auf verschiedene Schulen (Hauptschule, Realschule, Gymnasium) führt nach Meinung der Grün-Alternativen zu einer Unterdrückung von Begabungen, weil man die nämlich im Alter von zehn Jahren noch gar nicht erkennen könne. Woher wissen die Grünen das? Auch würden durch das dreigliedrige Schulsystem die Reichen bevorzugt, weil die Armen und Migranten sich das Gymnasium und die Realschule nicht leisten könnten. Daher, wird gefolgert, sei die „Selektion“ (Darwin lässt grüßen) nach der vierten Klasse abzuschaffen. Die Kinder sollen bis Klasse 9 zusammenbleiben und gemeinsam lernen. Und warum nicht bis zur zehnten? Wahrscheinlich haben die Grünen neue Erkenntnisse der Begabungsdiagnose und meinen daher zu wissen, dass man Fünfzehnjährige besser „selektieren“ kann.

Die Kinder lernen also neun Jahre gemeinsam. Aber natürlich soll man trotzdem ihre unterschiedlichen Begabungen fördern und sie „differenziert“ unterrichten. Das wird nicht einfach, denn die Unterschiedlichkeit der Begabungen und Lerntypen ist sehr viel größer, wenn alle Schülerinnen und Schüler, die derzeit noch auf drei Schularten verteilt sind, in einer Klasse sitzen.

Wo lernen die künftigen Lehrer diese neue, anspruchsvolle Art des Unterrichts? Nicht wie bisher in einem Referendariat, das wird, wenn es nach den Grünen geht, abgeschafft. Sie lernen es in den Schulen. Dort werden sie von Mentoren begleitet. Ich frage mich, wie das gehen soll, dass die neuen Lehrer die dringend gebotene neue Art des (differenzierten, allen Begabungen gerecht werdenden) Unterrichtens von den „alten“ Lehrern lernen. Die können das ja leider auch nicht. Von wem lernen sie?

4 Antworten auf „Unausgereifter Vorschlag oder Wie Grüne die Schule neu denken“

Die Grünen waren noch nie für ihre Realitätsnähe bekannt. Selbst ihre “Realos” sind dem Traum näher als der Wirklichkeit. Abgesehen davon hat sich das bisherige System bewährt, und den begabteren Schüler auszubremsen und die weniger Begabten einfach zurückzulassen, um sich auf die Mitte zu konzentrieren, kann wohl kein Ziel einer erfolgreichen Bildungspolitik sein. Was die Lehrerausbildung angeht, so gilt auch hier wohl der Wunsch als Vater des Gedankens.

Schön und paradox formuliert: Realos als Träumer. Dass es im dreigliedrigen Schulsystem mit dem differenzierten, den Begabungen gerecht werdenden Unterricht nicht zum Besten steht, kann man leider kaum bestreiten. Aber wieso es eine Gesamtschule besser schaffen soll, erschließt sich mir nicht.
Wir brauchen eine Lehrerausbildung, die das individuelle Fördern noch stärker im Blick hat. Das Modell “Schulen bilden Junglehrer aus” hat große Schwächen. Der eigene Saft, in dem man in vielen Schulen schmort, ist nicht immer bekömmlich.

Sehr negativ erklärt was ich als sehr positiv empfinde. Hat wer schon in Berlin gewohnt und kennt die dortige selektion haupt-Real-Gesamt und gymnasium. schon in der Grundschule versucht man sozial schwache auf sonderschulen abzuweisen trotz !!! guter Noten. Ich habs trotzdem geschafft durch meine eltern die ein dreijähriges gerichtsverfahren hatten gegen die schule . andere wurden abgeschoben . tja. aus denen ist nichts geworden als junge mütter unter harz4.. ( schreibe klein weil einfacher !)
vorallem ist die selektion in berlin erst ab der 6. klasse und im süden schon in der 4.
und überhaupt das umfeld einer hauptschule ist sozusagen für 80 % der absturz ins kriminelle..

so meine meinung

An Jenny:
Ein sehr eindringlicher Kommentar, der zeigt, wie verschieden Schulschicksale sein können und wie unterschiedlich die Situation in den verschiedenen Regionen Deutschlands ist. Die Aufteilung auf verschiedene Schularten, die ich auch nicht uneingeschränkt befürworte, lässt sich nur rechtfertigen, wenn sie nach den Grundsätzen der Leistungsfähigkeit erfolgt. Sie darf keinesfalls soziale Unterschiede zementieren. Ich weiß, dass aber genau das oft geschieht. Es zu verhindern, das wäre die Sache der Schulaufsicht. Aber die ist wahrscheinlich oft überfordert.
Wenn man Kinder und Jugendliche länger als bisher zusammen lässt, dann muss sich der Unterricht radikal ändern. Es müsste allen, den Sprachlern und den naturwissenschaftlich Interessierten, den Praktischen und den Theoretikern, den musisch Begabten, der Sportlichen, den Schreibgewandten und denen, die mit der Sprache und ringen, den Faulen und den Fleißigen – diesen allen und noch etlichen anderen müsste die Schule gerecht werden. Das verlangt sensible, fachlich starke Lehrerinnen und Lehrer, die mit Mut und Kraft in solchen Klassen unterrichten können. Wenn wir das in Deutschland hinbekommen, habe ich nichts gegen einen gemeinsamen Unterricht über die Klassen 4 oder 6 hinaus.

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