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Über Oettinger

Auch wenn Häckerling als Kritikaster im Glashaus sitzt und daher nicht mit Steinen auf andere werfen sollte, findet er doch, dass man mit den Politikern erbarmungslos umgeht. Seine politische Nähe zum neuen EU-Kommissar ist gering. Aber was man mit ihm seiner Englisch-Kenntnisse wegen angestellt hat, ist grenzwertig. Nun hat DIE ZEIT in ihrem neuen Heft festgestellt, dass der Text, den Oettinger vorgetragen hat, sprachlich durchaus im Bereich des Korrekten liegt. Gemangelt hat es an der Aussprache. Muss ein Ministerpräsident von Baden-Württemberg da fit sein. Es ist gut, wenn er es ist, aber es nachvollziehbar, warum er es nicht ist.

Die Schulzeit des Herrn O. liegt lange zurück. Dass er keine Meister der Aussprache ist, merkt man auch an seinen deutschen Sätzen. Dass er am th (ti-eitsch) strauchelt, eint ihn mit vielen anderen Landeskindern. Nun will er nachlernen. Das ist gut so. Aber sein Image ist kaputt, denn die Logik lautet: Wer englische Wörter falsch ausspricht, macht auch Fehler in der Energie-Politik. Wirklich?

Was jetzt mit Oettinger gemacht wurde, betreibt man seit Wochen mit Westerwelle, Brüderle und Niebel. Sie liefern reichlich Material fürs Kabarett. Man wirft W. vor, dass er angespannt ist bei seinen Antrittsbesuchen in den Hauptstädten der Welt. Wer wäre das nicht, zumal wenn er weiß, dass jedes Wort, jede Geste zu einem globalen Aufschrei führen kann. Der kleinste Fehler ist der Beweis: Der kann es nicht. Ist das wirklich so?

Dass B. spricht, wie er spricht, beweist für die Medien: Er spricht schlecht, also ist auch seine Wirtschaftspolitik schlecht. Dass N. auch im neuen Amt forsch auftritt und auch noch seine alte Mütze trägt, das beweist für die Meinungsmacher, dass er für das Amt des Entwicklungsministers ungeeignet ist. Ist das wirklich stringent?

Man könnte mit Frau Köhler, der jungen Ministerin, weitermachen. Sie kann es nicht können, weil sie noch so jung ist. Wirklich?

Es gab mal eine Zeit, da hat man auch Politikern eine Chance gegeben, zum Beispiel eine Frist von 100 Tagen. Aber der journalistische Markt ist hart umkämpft und braucht sein tägliches Futter. Im Augenblick geht es nicht mehr um Niebels Mütze, sondern um die völlig gescheiterte Sozialgesetzgebung der Regierung Schröder. Ist sie das wirklich?

(Blog-Eintrag Nr. 147)

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Unbetreut – Schule in den Ferien

In einem zwar gut lesbaren, aber weitgehend im Unklaren stochernden Bericht der Stuttgarter Zeitung (vom 15.10.09) wird das Ergebnis des Gemeindetags in Wiesloch zusammengefasst. Im Zentrum stehen die Aussagen des Ministerpräsidenten. Die Schlagzeile lautet: „Oettinger bietet Kommunen Pakt an“. Der Leser erfährt, dass in der Frage des Finanzbedarfs „für die flächendeckende Einführung des Orientierungsplans in Kindergärten“ zwischen der Kostenschätzung der Gemeinden (650 Mio. Euro) und der des Regierungschefs (unter 200 Mio. Euro) eine Differenz von über 450 Mio. Euro bestehe. In der Politik nennt man solche Zahlenverwirrspiele „Poker“, ist zu lesen. Der geneigte Bürger fragt sich eher, ob hier mathematische Analphabeten am Werk sind.

Im vorletzten Abschnitt wird die Forderung des Gemeindetagspräsidenten referiert, dass Bürgermeister für eine „dritte Amtszeit“ einen „Zuschlag“ bekommen sollten, weil sie damit dem Land Geld sparten. Noch billiger fürs Land wäre es, wenn man bei der ersten und zweiten Amtszeit einen „Abschlag“ erhöbe.

Am Schluss des Artikels heißt es, dass Oettinger am Schluss seiner Rede den Bürgermeistern ins „Stammbuch“ geschrieben habe, sie sollten dafür sorgen, dass „künftig in den Schulen auch in den Sommerferien eine Betreuung organisiert werde.“ Wozu, zur Entlastung der Familien? Was heißt „betreuen“? Sollen die Kinder auch in den Ferien in die Schule, dort aber keine Schule haben, sondern unter Aufsicht spielen? Soll das Schulhaus in den Ferien eine Art Sommercamp oder Waldheim werden? Wann findet dann der obligate Großputz statt? Und wann wird Defektes repariert? Wer soll die Kinder betreuen? Lehrerinnen und Lehrer, ehrenamtliche Mitglieder des Sportvereins oder des CVJM? Woher sollen die Kommunen das Geld für das Betreuungsangebot nehmen?

Ob die Schüler ihre Schule wohl so schön finden, dass sie auch die Sommerferien dort verbringen wollen? Der Stammbuchsatz des Ministerpräsidenten klingt markig und familienfreundlich, aber welche praktischen Konsequenzen wird er haben?