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Angekündigtes Nichtstun

Eine der wichtigsten Tätigkeiten der politisch Verantwortlichen ist das Ankündigen. Wenn irgendetwas schiefgegangen ist, wird mitgeteilt, dass man „alles“ tun wolle, dass dies künftig ausgeschlossen ist. Damit ist das Problem fürs Erste vom Tisch. Dann wird eine Arbeitsgruppe beauftragt, sich mit der Sache zu beschäftigen. Ein paar Monate oder auch Jahre später kommt ein Papier auf besagten Tisch, wird gelobt oder – häufiger – kritisiert und verschwindet wieder in der Tischschublade. Das kann man besonders eindrucksvoll an der Klimafrage studieren. Da spielt das Ankündigen eine wichtige Rolle. Deutschland hatte mal angekündigt, bis 2020 ein ehrgeiziges Klimaziel erreichen zu wollen. Alle Maßnahmen, die geeignet gewesen wären, das Versprechen wahrzumachen, fanden keine Zustimmung und fielen bei einem Windstoß vom Tisch. Also gab man das Ziel 2020 auf. Inzwischen stehen uns weitere Ziele vor Augen. So soll bis 2030 viel geschehen, um dem Pariser Kima-Abkommen gerecht zu werden. Zum Beispiel will man bis 2038 die Kohlekraftwerke stilllegen. Und nun ist ein noch ein weiteres Jahr in den Blick gekommen, 2050. Bis dahin soll Europa, ja sogar Deutschland, klimaneutral werden. Ein wunderbares Datum. Häckerling wird es nicht mehr erleben, es sei denn, er würde 108 Jahre alt. Auch die Versprechenden (Achtung Gender-Sprache!) dürften dann nicht mehr unter den Lebenden (kein Gender-Ausdruck!) sein. Nicht mal die jetzige Kanzlerin. Die derzeit protestierenden Schüler und Schülerinnen gehen dann „auf die 50“ zu. Früher nannte man das Vertrösten auf den Sankt-Nimmerleins-Tag, heute versteht man darunter weitblickende Politik. Und was geschieht zur Erreichung dieses wunderbaren Zieles heute, morgen oder übermorgen? Das wird derzeit in Arbeitsgruppen ausgetüftelt und kommt wahrscheinlich 2022 auf den Tisch.

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Benannte Gesetze

Mit dem „Gute-Kitas-Gesetz“ hat es angefangen, mit dem „Starke-Familien-Gesetz“ ging es weiter, der Trend zur verständlichen Benennung von Gesetzen ist unverkennbar. Derlei Bezeichnungen haben den großen Vorteil, dass sie ausdrücken, was das Gesetz zu erreichen vorgibt, aber in der Regel nicht schafft. Diese Gesetze werden keine guten Kitas und starke Familien schaffen, sondern allenfalls ein Zwischenschritt auf dem Weg dahin sein. Die Gesetzesnamen suggerieren also, was sie in Wirklichkeit nicht leisten. Sie sind Propaganda und damit Teil des permanenten Wahlkampfs. Die Regierung von Baden-Württemberg könnte diese Möglichkeiten auch nutzen. Wie wäre es mit einem „Gute-Schulen-Gesetz“ oder einer „Erfolgreicher-Unterricht-Verordnung“. Dann hätte man wenigstens mit der Benennung das Ziel erreicht, das tatsächlich noch weit entfernt ist. Denkbar wäre auch ein „Kein-Unterrichtsausfall-Gesetz“ oder eine „Digitalisierte-Schule-Initiative“. Häckerling fragt sich, warum unser Land nicht auf diese sprachliche Möglichkeit zurückgreift. Die Idee, an die Stelle erfolgreicher Politik erfolgreiche Propaganda zu setzen, ist uralt. Schon immer haben Politiker mit sprachlichen Mitteln versucht, ihr Versagen zu kaschieren. Treffende Bezeichnungen könnten das Land wieder in die Erfolgsspur bringen. Frau von der Leyen soll bereits an einem „Schlagkräftige-Bundeswehr-Gesetz“ arbeiten und der Finanzminister an einem „Bürgerfreundliche-Steuerentlastung-Gesetz“, im Verkehrsministerium liegt der Entwurf für das „Staufreie-Straßen-Gesetz“ und im Innenministerium das „Integrierte-Migranten-Gesetz“. Die Welt wird besser mit jedem Tag, wenigstens die Welt der Gesetzesnamen.

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Politische Konzeptkunst

Die große Koalition will Größe zeigen und zur Sacharbeit zurückkehren. Vorher hat sie sich an strittigen Personalfragen und dem Seehofer-Egotrip abgearbeitet. Mangelnde Arbeitslust kann man ihr also nicht vorwerfen. Zumal sie auch an den Wochenenden tätig ist, wo die anderen arbeitenden Menschen nach Erholung suchen. Das Besondere an der Groko-Sacharbeit ist, dass sie nicht im Kabinett, sondern in Dreierrunden stattfindet. Nach dem letzten Arbeitswochenende wurde den Bürgern die Einigung in zwei Punkten verkündet: der Dieselfrage und der Einwanderung. Allerdings bekamen beide Ergebnisse die Bezeichnung „Konzept“. Nicht nur für Lehrer heißt das: Es ist ein Entwurf, die Reinschrift folgt noch, sie wird sich vom Konzept unterscheiden. In den Tagen nach der Konzeptbekanntgabe ergab die Exegese der Entwürfe durch die „interessierte Öffentlichkeit“, dass sie noch unzulänglich sind. Oder in den Worten eines Brecht-Stückes, die Reich-Ranicki gerne zitiert hat: Der Vorhang zu und alle Fragen offen. Häckerling fragt sich, ob diese Art der unausgegorenen politischen Sacharbeit dem demokratischen Empfinden bekömmlich ist. Wäre es nicht schlauer, zur alten Praxis zurückzukehren und von kundigen Beamten formulierte Gesetzentwürfe vorzulegen, sie im Parlament zu beraten, ggf. zu verändern und dann zu beschließen? Bei der Konzeptpolitik zeigt man dem Volk ein Bonbon und schiebt es dann selbst in den Mund. Ätsch. Oder mit einem Bild aus dem rheinischen Karneval: Man wirft Kamellen in die Menge, die zwar süß sind, aber nicht satt machen.