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Brüchige Sicherheit

Wir alle sind mitten im Leben vom Tod umfangen. Das wird uns nur manchmal bewusst. Gerne blenden wir dieses Thema aus. Aber das gelingt nicht immer. Der 11. März 2009 war so ein Tag, an dem der Tod sichtbar wurde und vielen Kindern und einigen Erwachsenen nahe kam. Manche sind ihm nicht entkommen und mussten ihr Leben lassen. Noch heute, ein Jahr später, ist das Grauen von Winnenden präsent. Wir gedenken am 11. März 2010 eines Ereignisses, das wir uns vor einem Jahr nicht haben vorstellen können und das auch zwölf Monate danach nicht in den Kopf will.

Allerorten wird nun über die Erhöhung der Sicherheit in den Schulen nachgedacht. Krisenpläne sind entstanden, technische Verbesserungen werden überlegt, mehr Psychologen werden eingestellt. Das kann das „Gefühl“ der Sicherheit erhöhen. Auch das ist wichtig, aber ob es die Schulen wirklich „sicherer“ macht, ist fraglich. Denn die Unzulänglichkeit dieser Maßnahme wird bei diesen Diskussionen sehr schnell deutlich. So auch gestern, am 10. März, im Schul- und Kulturausschuss der Stadt Sindelfingen. Offene Türen sind gefährlich, geschlossene aber auch. Die Video-Überwachung der Schulanlagen ist noch verboten, aber was wäre, wenn wir sie hätten? Wären die Schulkinder und ihre Lehrer dann sicherer?

Schon vor dem Massaker in Winnenden hatten die Schulen Krisenpläne. Doch wie das so ist: Sie lagen „in der Schublade“, waren also da, aber nicht präsent. Die Kinder vergessen die Alarmsignale und die Verhaltensvorschriften; die Lehrerinnen und Lehrer vergessen sie auch und die Schulleiter ebenfalls. Was man nicht vergessen soll, muss man ständig üben, also auch die verschiedenen Alarmfälle: den Feueralarm, den Bombenalarm, den Giftgasalarm, die Geiselnahme, den Amoklauf. Einen Giftgasalarm üben? Oder einen Amoklauf? Wie soll das gehen? Was löst eine solche „Übung“ aus? Überwiegend Ängste. Also doch nicht üben oder anders, aber wie? Es ist manchmal schwer, das Richtige zu tun. Was wir auch tun mögen, dass wir „mitten im Leben vom Tod umfangen“ sind, das können wir nicht verhindern.

(Blog-Eintrag Nr. 163)

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Unsicher – das Lebensrisiko

Auch im letzten Wahlkampf hat es eine Rolle gespielt, wenn auch keine entscheidende, das Versprechen von Sicherheit. Dieses Substantiv suggeriert etwas, das es nicht gibt. Mit dem Adjektiv „sicher“ kann man eine beruhigende, einlullende Stimmung erzeugen. Der Zebrastreifen und die grüne Ampel versprechen ein sicheres Überqueren der Straße, trotzdem kommt es zu Unfällen. Banken versprechen „sichere Wertpapiere“, obwohl sie besser als andere wissen, wie schnell Geld wertlos werden kann. Armeen sorgen angeblich für „sichere Grenzen“; dabei ist bekannt, dass es trotz ihrer Präsenz immer wieder Kriege gibt. In Geschäften verkauft man uns etwas mit dem Versprechen, damit seien wir auf der „sicheren Seite“, und doch erweist sich das Produkt am Ende als genauso vergänglich wie jedes andere.

Können wir, wenn wir uns impfen lassen, „ganz sicher“ sein, keine Grippe zu bekommen? Auf dem Beipackzettel steht das Gegenteil. Erhöht ein Polizeiposten in der Nähe die Sicherheit der Bürger? Das mag glauben, wer will.

Und dann gibt es auch noch das Verb „versichern“, von dem die „Versicherung“ abgeleitet ist, auch ein Wort, das mehr verspricht, als es halten kann. Wir zum Beispiel haben uns „gegen Einbruch“ versichert. Trotzdem wurde dieser Tage bei uns eingebrochen. Die Diebe haben sich nicht abhalten lassen und sind in unser Haus und damit auch in unser Leben eingedrungen. Auch die Polizei konnte sie nicht an ihrem Tun hindern, obwohl sie gar nicht so weit weg ihren Sitz hat.

Die Rechtsschutzversicherung verschafft uns keinen Rechtsschutz oder lässt uns Recht bekommen; sie zahlt nur die Prozesskosten. Die Feuerversicherung hält keine Flammen ab. Trotz der Versicherung gegen Krankheit erkranken wir immer wieder. Nur die dabei entstehenden Kosten werden durch die Versicherung teilweise übernommen. Und mit einer Lebensversicherung können wir den Tod nicht davon abhalten, nach uns zu greifen.

Das ist banal, gewiss, aber wir vergessen gerne, dass wir nicht sicher sind, dass vielmehr die Hoffnung auf Sicherheit eine Illusion ist und daran auch die Versicherungen und die Versicherungen der Politiker nichts ändern können.

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Ungesichert – Türknauf gegen Amoklauf

Wenn etwas Schlimmes passiert ist, sollen Experten darüber nachdenken, wie man eine Wiederholung verhindern kann. Daher hat die Landesregierung von Baden-Württemberg nach dem Amoklauf von Winnenden eine Kommission eingesetzt. Deren Bericht liegt nun vor. Er enthält 83 Vorschläge. Einer davon: die Türen der Unterrichtsräume mit einem Knauf versehen. Dann lassen sie sich nicht mehr von außen öffnen und das im Katastrophenfall Amoklauf empfohlene – sehr problematische – Abschließen von innen würde entbehrlich.

Abgesehen davon, dass diese Maßnahme mit Kosten für die klammen Schulträger verbunden wäre, hätte der Türknauf auch einige unterrichtspraktische Nachteile. Auch erhöht er meines Erachtens die Sicherheit nur unwesentlich.

Viele Schulen verfügen bereits über Erfahrungen mit Räumen, die außen einen Türknauf haben. Man sichert damit zum Beispiel Fachräume und ihr wertvolles Inventar vor unbefugtem oder vorzeitigem Zutritt. Vor einer Türe mit Knauf wartet die Klasse, bis sie von der Lehrkraft hereingelassen wird. Wenn die sich – aus welchem Grund auch immer – verspätet, stehen die Schüler einige Minuten draußen vor der Tür – und sind in dieser Zeit „ungeschützt“. Man kann die Türe des Unterrichtsraums auch nicht gleich wieder schließen, sondern muss sie noch einige Zeit offen lassen, denn es gibt fast in jeder Stunde Schüler, die später kommen. Nicht immer ist das ihre Schuld. Stehen die Nachzügler vor verschlossener Tür, müssen sie anklopfen, damit man sie hereinlässt. Dabei aber stören sie den Unterricht, denn der hat schon begonnen.

Anklopfen können aber auch: ein anderer Lehrer, die Mutter eines Schülers, ein Vertreter der SMV – und ein Amokläufer. Am Klopfen wird man nicht erkennen, ob jemand etwas Böses im Schilde führt. Wenn man aber wissen will, wer draußen steht, muss man die Türe öffnen – es sei denn, sie verfügt über einen „Spion“. Doch der dürfte nur von innen nach außen benutzbar sein, sonst kann er zur Überwachung missbraucht werden. Und das will auch niemand.