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Sindelfingen-Nord und die Technomusik

Mittlerweile liegt das Ereignis schon eine Woche zurück, aber der Leserbriefsturm, ein shitstorm der besonderen Art, tobt in der regionalen Zeitung immer noch. Unbestritten ist, dass der Sindelfinger Norden am Samstag, 25.8.12, geschlagene zehn Stunden mit Open-Air-Technomusik beschallt wurde. Dank günstiger Winde konnte man das häusliche Radio stilllegen und sich ganz dem Rave hingeben. Gratis sogar.

Nun gefällt diese Art von Musik nicht jedem und so erhob sich ein Protestgeschrei in Form von Anrufen bei der Polizei und danach in offline- und online-Leserbriefen an die Sindelfinger Zeitung. Die Stadtverwaltung reagierte betreten. Man hatte das Event genehmigt und damit dem klammen Glaspalast zu Einnahmen verholfen. Dass daraus ein Kulturkampf werden würde, hatte man nicht bedacht.

Es ging um verschiedene Fragen. Ist Techno überhaupt Musik oder nur widerliches Gestampfe und Gebrumm? Darf die Stadtverwaltung so etwas genehmigen? Soll man einem solchen Ereignis nicht mit Toleranz begegnen, wie es der Redakteur der Zeitung vorgeschlagen hat? Heute fordert eine Dame aus dem Stadtteil Hinterweil, dass sich alle hier „vereinigen“ sollten, gegen den Lärm. Aber mit Marx lässt sich das Problem auch nicht lösen. Ein anderer hier Wohnender mit fremd klingendem Namen nimmt die Sache zum Anlass, sich über die ärmliche Ruhesucht der Deutschen auszulassen. Ihm ist offenbar noch nicht aufgefallen, dass es an Lärm in diesem Land nun wahrlich nicht fehlt: Autos, Baumaschinen, Heimwerker, Flugzeuge und Radios sorgen unablässig dafür, dass es nicht zu still wird.

Mit verboten löst man solche Probleme nicht, aber die Veranstalter müssen die Lärmbestimmungen einhalten. Der Zeitung wäre zu sagen, dass Toleranz sich nicht im Aushalten von als schrecklich empfundener Musik bewährt, sondern in der Bereitschaft, dem anderen „seine“ Musik zu gönnen, solange er mich nicht zwingt, dass ich sie mir anhöre.

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Die Kirchen und ihr Personal

Es geht rund in der evangelischen Kirchengemeinde Sindelfingen. Die regionale Zeitung hat (am 21.6.12) mitgeteilt, dass im Laufe dieses Jahres fünf ihrer Pfarrer in den Ruhestand gehen oder sich auf eine andere Stelle versetzen lassen. „Auszug der evangelischen Pfarrer“ nennt es die Zeitung. Das ist ärgerlich genug. Wenn man dann noch lesen muss, das sei „reiner Zufall“, steigert sich der Ärger um einiges. Und wenn die diversen Wechsel dazu genutzt werden, Stellen zu streichen oder zu halbieren, möchte man dieser Kirche am liebsten wütend Valet sagen. Wozu leisten sich die Evangelischen hierzulande einen bürokratischen Wasserkopf namens Oberkirchenrat, wenn der es nicht schafft, den durchaus üblichen Personalwechsel in gleitendem Übergang abzuwickeln? Wozu brauchen wir eine hoch dotierte kirchliche Administration, wenn die nur den Zufall regieren lässt? Was ist das für eine Kirche, die ständig Pfarrstellen abbaut, aber an der eigenen Verwaltungspräsenz nicht rüttelt?

Die Übergangszeit wird ausgesprochen ärmlich organisiert. Die Pfarrerin der Christuskirche soll ganz nebenbei den wegfallenden Kollegen vom Hinterweil vertreten und natürlich noch in der ganzen Stadt aushelfen. Das neue Pfarrerehepaar in der Johanneskirche, wenn es denn kommt, muss sich erst einarbeiten, der Pfarrerin vom Eichholz verweigert man hartnäckig die Aufstockung ihrer halben Stelle und nimmt dafür billigend in Kauf, dass sie in dieser dramatischen Lage „nur begrenzt helfen“ kann. Die ins Auge gefasste neue Pfarrerin der Martinskirche soll und wird hoffentlich im Herbst anfangen. Sie muss sich ganz schnell einarbeiten, denn auch sie darf zwei Stellen gleichzeitig bedienen. Wird ihr dazu die Versorgung der vakanten Stelle auf dem Goldberg aufgedrückt? Dem treuen Kirchensteuerzahler graust es ob dieser Zukunftsperspektiven.

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Abitur oder Reife

Der Erwerb des „Reifezeugnisses“ – oder auch des Abiturs – ist ohne Frage ein Grund zum Feiern. Dabei haben sich in den letzten Jahrzehnten etliche Rituale herausgebildet, deren Vorbereitung die jungen Leute zeitlich meist mehr in Anspruch nimmt als die Prüfung selbst: der Sekt nach der letzten mündlichen Prüfung („Man gönnt sich ja sonst nichts“), ein Autokorso durch die Stadt („Wir sind Weltmeister“), der „Abi-Scherz“ (Unterhaltungsprogramm für die jüngeren Schüler, die sich besonders darüber freuen, dass der Unterricht ausfällt), die Abi-Zeitung (eine Bild-Zeitung, in der auch gerne mit Lehrern „abgerechnet“ wird), das Abi-Denkmal (für die Ewigkeit), die Feier anlässlich der Übergabe des Zeugnisses (hier redet der Chef) und dann noch er Abi-Ball mit einem umfangreichen, manchmal sehr anspruchsvollen Unterhaltungsprogramm.

Feiern nach dem Abitur sind gefährlich. Es wird viel getrunken und trotzdem mit dem Auto gefahren. Und manchmal artet das Ganze aus. Ein Saal, in dem Abiturienten feiern, muss einiges aushalten, und die Anwohner müssen es auch.

Am letzten Wochenende war es sehr warm. Die Abitur-Feier eines renommierten Sindelfinger Gymnasiums fand standesgemäß in der dortigen Stadthalle statt. Die liegt in einer Parkanlage. Als Eltern und Lehrer endlich das Feld geräumt hatten, wurde draußen weitergefeiert, laut und auch deutlich, mit Musik und Geschrei. Den Anwohnern wurde es irgendwann zu viel und sie holten die Polizei.

Der gefiel es verständlicherweise nicht, dass sie mit beleidigenden Bemerkungen und Liedern empfangen wurde, und sie griff dem Vernehmen nach energisch zu. Jetzt wird gegen einige „Festgäste“ ermittelt. Die örtliche Zeitung spricht von einem „traurigen Ende“ dieser „gelungenen“ Veranstaltung. Andere beklagen das „harte Vorgehen“ der Staatsgewalt.

Das Traurige daran ist nach Häckerlings Meinung aber auch, dass wieder einmal deutlich wurde, was ein Abitur nicht oder nicht immer ist: ein Zeichen der Reife.

Und die Schule? Sie kann eigentlich nichts dafür, muss aber trotzdem mit einem Image-Schaden leben. Vielleicht ist das ein Anlass, intensiver darüber nachdenken, wie man dem „Erziehungs- und Bildungsauftrag“ noch erfolgreicher nachkommen könnte.

(Blog-Eintrag Nr. 198)