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Unabsichtliche Unklarheit oder Was der Bildungsföderalismus soll

Die Stuttgarter Zeitung liefert uns (am 24.8.09) einen Kommentar zur Bildungspolitik, dessen Unklarheit beunruhigt. Unter dem Titel „Auf den Hund gekommen“ wird über eine Krise des Bildungssystems geklagt, die eine Folge des schwarz-roten Umgangs mit dem Föderalismus sei. Von den regierenden Parteien werde „das Bildungssystem zerrieben“, heißt es.

Mir wird nicht deutlich, was die Verfasserin eigentlich will: klare föderale Strukturen oder die Zuständigkeit des Bundes für die Schulpolitik? Für das eine spricht ihr Satz, dass eine eigenständige, selbstbewusste und ehrgeizige Bildungspolitik der Bundesländer zu wünschen sei, für das andere ihre Aussage, dass der Bildungsföderalismus mit seinen unterschiedlichen Schulsystemen so unbeliebt sei wie eine sechzehnköpfige Hydra. Was also ist gewünscht? Eine Hydra mit nur einem Kopf oder die Vielfalt, das heißt den Wettbewerb der Bundesländer?

Zuzustimmen ist der Kommentatorin bei der Schelte der Parteien, denen im Bundestagswahlkampf nichts Besseres einfällt, als sich in der Bildungspolitik zu tummeln. Die geht den Bund nach der Festlegung des Grundgesetzes nichts an. Dabei gäbe es wahrlich viel zu tun in jenen Bereichen, die in die Zuständigkeit des Bundes fallen: die Lösung der Finanz- und Wirtschaftsprobleme, die Erarbeitung von Grundsätzen für den weltweiten Einsatz der Bundeswehr, die Förderung des Straßenbaus, dringende Reformen des Steuerrechts, der Subventionsvergabe, der Renten, der Sozialgesetzgebung und so weiter.

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Unwirkliche Person oder Vom Reiz des Rollenwechsels

Der regelmäßige Schreiber von Sonntag Aktuell hat (am 23.8.09) neben der Klage über die mediale Aufrüstung auch den ungewollten Wechsel der Identität zum Thema seiner Kolumne gemacht. Ich mache das – nicht ihn – zum Gegenstand des heutigen Blog-Eintrags.

Dass ein Zeitungsschreiber wie unser Kolumnist plötzlich als Schönheitschirurg angesprochen wird, mag ihn selbst verwundern, wir anderen wissen, dass der Unterschied nicht gar so groß ist. Auch der Journalismus verändert Gesichter, zum Beispiel das der Wirklichkeit: entweder wird es geschönt oder zur Fratze verzerrt.

Auch wenn es nicht immer Spaß macht, für einen anderen gehalten, also verwechselt zu werden, ist doch das Spiel mit der eigenen Rolle durchaus beliebt. Wer wollte nicht gerne mal ein anderer sein? So möchte Peter Handkes Kaspar im gleichnamigen Bühnenstück „ein solcher werden, wie einmal ein anderer gewesen ist“. Die Fastnachtskultur lebt davon, dass man die Rolle wechselt , es allerdings nicht immer schafft. Kleine Kinder sind begnadete Rollenspieler; so findet unser Enkel derzeit seine höchste Lebensfreude darin, ein ICE zu sein und mit großem Tempo durch die Gegend zu fahren, zu rennen natürlich.

In der Literatur finden wir häufig neben dem Anonymus das Pseudonym. Es soll zwar manchmal den wahren Verfasser verbergen, oft aber dem Autor eine andere, bedeutendere Identität verleihen. Das kommt sogar in der Bibel vor: Nicht alles, was als Paulusbrief bezeichnet wird, ist von Paulus verfasst; man soll das aber als Leser meinen. Und besagter Paulus – hieß er nicht einst und war er nicht vorher Saulus, eher er sich vom Christenverfolger zum christlichen Missionar verwandelte?

Als Fußnote sei ergänzt: Häckerling ist ein Pseudonym von Häcker, der sich gelegentlich auch als haecker äußert – sozusagen Rollenprosa im Internet.

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Ungelenke Kraftmeierei oder Wie die Familie gestärkt werden soll

Die Christdemokraten setzen in diesem Wahlkampf auf Kraft. Vermutlich ist es jene, die in der Ruhe liegt; denn so recht hörbar sind die Wahlkampfstimmen nicht. Dafür sieht man aber die Plakate umso besser. Eines davon zeigt die Familienministerin, entspannt lächelnd, und mit dem zusammengestückelten Satz: „Wir haben die Kraft – Für starke Familien“.

Sätze sind dazu da, dass man sie versteht. Den auf dem Familienplakat verstehe ich nicht so ganz. Klar ist, dass die CDU „die“ Kraft hat – oder nur Kraft? Im ersten Fall wäre es eine Kraft, die sie dazu befähigt, etwas zu leisten. Man könnte sich vorstellen, die Partei ist stark genug, ein neues Konzept der Familienförderung durchzusetzen (Erhöhung des Kindergeldes, rascher Ausbau der Kindertagesstätten, Verlängerung der Elternzeit).
Im zweiten Fall würde etwas behauptet, was erst nach der Wahl sichtbar wird: ob die CDU tatsächlich eine starke politische Kraft ist.

Aber nehmen wir die erste Deutung. Sie besagt, die CDU habe die Kraft für starke Familien. Sind die Familien schon stark und bekommen noch die Kraft der CDU dazu oder sind sie (noch) schwach und werden durch die Kraft der Christdemokraten erst richtig stark? Dass Letzteres gemeint ist, hat einen höheren Wahrscheinlichkeitsgrad. Dann lautete die Botschaft des Plakats: Wir wissen, dass es den Familien trotz unserer tollen Politik der letzten Jahre nicht gut geht. Sie sind noch zu schwach, die vielfältigen Aufgaben zu schultern, die in der heutigen Zeit anstehen. Daher werden wir – die starke CDU – mit unserer ganzen Kraft dafür sorgen, dass die Familien viel stärker werden.

In der Plakat-Formulierung bleibt die politische Aussage merkwürdig schwach, trotz aller Kraftmeierei.