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Überfrachtet – Schuluniform zur Problemlösung

Es stimmt ja: Die Schülerinnen und Schüler sind im Unterricht unterschiedlich gekleidet und manche machen aus ihren Markenklamotten einen Kult. Dass nicht alle Mitschüler bei diesem Modewettlauf mithalten können, weil ihre Eltern es nicht einsehen, die Ausgaben scheuen oder ihnen das Geld dazu fehlt, stimmt auch. Daher schwebt manchen Zeitgenossen eine Schuluniform als Lösung dieser sozialen Gegensätze vor. Wenn alle gleich gekleidet sind, kann es kein Mobbing wegen des Outfits mehr geben.

Das mag sein, aber wer mobben will, findet immer ein Opfer und einen Anlass. Die Schuluniform mag zwar das Problem des Markenwettstreits lösen, aber sie verhindert nicht den Streit überhaupt. Auch wird es kaum gelingen, die sozialen Gegensätze innerhalb einer Schulklasse auf diese Weise zu übertünchen.

Trotzdem hat die CDU am Wochenende (21./22.11.09) den Beschluss gefasst, dass Schulen künftig beschließen können, eine Schuluniform verpflichtend einzuführen. Dazu soll das Schulgesetz geändert werden. Die Schulkonferenz als das höchste Beschlussgremium der Schule soll künftig befugt sein, darüber zu befinden.

Die Schulkonferenz besteht aus 13 Mitgliedern: sechs Lehrern, drei Elternvertretern, drei Schülern und dem Schulleiter. Der leitet sie. Zusammen mit seiner (oder ihrer) Stimme könnten die Lehrkräfte oder eine Koalition von Eltern und Schülern einen so weitreichenden Beschluss wie die Einführung der Schuluniform fassen. Schulleitung und Lehrerkollegium wären verpflichtet, ihn durchzusetzen. Was aber, wenn manche Eltern oder manche Schüler sich weigern, die Uniform zu kaufen oder zu tragen? Welche Sanktionen gäbe es? Wenn alles gute Zureden nicht hilft, bleiben der Schule nur zwei Möglichkeiten: entweder nachzugeben und die Uniformpflicht nicht durchzusetzen oder mit den Maßnahmen des § 90 Schulgesetz zu operieren, als da wären: Nachsitzen, Ausschluss aus der Schule auf Zeit oder für immer („Such dir eine Schule ohne Uniform!“). Diese Aktionen könnten viel Ärger verursachen. Der Schulfrieden würde nachhaltig gestört. Wäre das der pädagogischen Arbeit zuträglich?
(Blog-Eintrag Nr. 112)

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Übergangen – Hamburger Schulbegehren

In diesen Tagen erfahren wir, dass sich etwa 190000  Bürger von Hamburg übergangen fühlen und nicht gut finden, was die schwarz-grüne Koalition der Hansestadt vorhat: Sie will die Grundschulzeit auf sechs Jahre verlängern; so sieht es der Koalitionsvertrag vor. Als Grund wird angegeben: Je länger die Kinder miteinander lernen, desto besser sei es für sie. In den erfolgreichen PISA-Staaten habe sich das deutlich gezeigt.

Diese These klingt gut, sie ist aber alles andere als gesichert. Finnische Verhältnisse kann man, das wissen wir inzwischen, nicht so einfach auf deutsche übertragen. Bayern und Baden-Württemberg sind bekanntlich durchaus erfolgreich bei PISA; sie haben aber nur eine vierjährige Grundschule. Berlin hat schon lange eine sechsjährige und hängt beim PISA-Test ziemlich weit zurück. Es liegt also offenbar nicht so sehr am System Schule, sondern an der Art, wie dort unterrichtet wird.

Die Umstellung auf eine sechsjährige Grundschule ist ein hartes Stück Arbeit. Sie kostet viel Geld, bringt viel Unruhe und beschäftigt Schulverwaltung und Lehrerschaft über Jahre. Den Gymnasien wird ein Viertel der Schulzeit genommen, den Realschulen ein Drittel. Wie sie das überstehen, ist ungeklärt. Aber man kann Geld sparen: eines von vier Gymnasien und eine von drei Realschulen dürfte man schließen, dafür aber wären die Kapazitäten der Grundschulen um jeweils die Hälfte erhöhen. Insgesamt jedoch ergäbe sich durchaus eine Ersparnis.

Doch rechnen wir weiter: Ein Drittel der Lehrkräfte in den Realschulen und ein Viertel derer an den Gymnasien würden entbehrlich, dafür brauchte man an den Grundschulen 50% mehr. Also wären Umschulungen in großem Stil nötig. An denen müssten auch die Grundschullehrerinnen teilnehmen, denn in den Klassen 5 und 6 muss man anders unterrichten als in 1 und 2 oder 3 und 4. Gewiss: alle diese Probleme lassen sich lösen, aber mit welchem Aufwand?

Und ob sich dann dereinst die erwünschte Steigerung der Schulniveaus einstellt und die Kinder tatsächlich „miteinander lernen“ – wir werden es sehen – oder auch nicht. Hat dann Hamburg noch eine christlich-grüne Regierung?
(Blog-Eintrag Nr. 111)

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Überrumpelt – Schließung einer Hauptschule

Die Vorgaben sind eindeutig: Die Kommunen müssen entscheiden, für welche ihrer Hauptschulen sie den Status einer Werkrealschule beantragen wollen. Die müsste auf Dauer zweizügig sein, so lautet eine Bedingung. Das arme Sindelfingen hat vier Hauptschulen; davon können allenfalls drei zur Werkrealschule werden. Ergo: eine muss geschlossen werden; es trifft die Hauptschule am Klostergarten. Das hätte den wünschenswerten Nebeneffekt, dass die Stadt Geld spart und vielleicht auch noch einnimmt, wenn sie Schulgelände günstig verkaufen kann.

Als der Schul- und Kulturausschuss diese Frage am 18.11.09 öffentlich beriet, war die Tribüne brechend voll: viele Schüler, etliche Lehrer und Eltern verfolgten die Sitzung. Mit Plakaten machte man die Räte beim Betreten des Sitzungssaals darauf aufmerksam, dass sie die für viele sehr überraschend gekommene Entscheidung nicht gut finden. Wer kann es ihnen verdenken?

Es ist nur schwer zu vermitteln, dass überhaupt eine Hauptschule geschlossen wird. Das ist ein Zeichen, das sich so deuten lässt: Die Schwächsten unter den Schülern müssen die Konsequenzen einer ministeriellen Entscheidung und die Folgen einer städtischen Finanzkrise tragen. Es ist nicht so gemeint, aber es kommt so rüber.

Und geschlossen wird nicht etwa die kleinste Hauptschule, sondern die größte, eine Brennpunktschule mit großem Engagement. Ihre Schüler sollen dazu beitragen, dass die kleineren Hauptschulen die Zweizügigkeit erreichen und zu Werkrealschulen werden können. Auch das ist nicht leicht zu vermitteln.

Die Entscheidung wurde hinter den Kulissen vorbereitet, sie steht, sie ist auch in der Sache plausibel, aber sie wird den betroffenen Schülern der Hauptschule am Klostergarten sowie ihren Lehrerinnen und Lehrern manches Ungemach bereiten: Wechsel an eine andere Schule mit zwangsläufig größeren Klassen, also Verlust der bisherigen Klassengemeinschaft, ein längerer Schulweg, andere Lehrer, ein anderer Arbeitsstil usw. Hoffentlich haben die Verantwortlichen genügend Ideen, wie sie das auffangen können.
(Blog-Eintrag Nr. 110)