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Überspannt – Bildungsstreik privat

Die beiden Wörter rechts vom Gedankenstrich bildeten die Überschrift von Ursula Otts Kolumne in Sonntag Aktuell (29.11.09). Sie beschreibt dort, wie sie die fünf Tage der Bildungsstreikwoche in der Familie erlebt hat. Betrachten wir das etwas genauer.

Ihr 12-jähriger Sohn, ein Siebtklässler, will am Montagmittag unbedingt an der „Demo“ teilnehmen und deswegen „die letzte Stunden“ (vermutlich ist nur eine gemeint) „blaumachen“. Die Kolumnistin ist als Mutter dagegen: „Ein paar schlechte Noten“ in Mathematik legen aus ihrer Sicht den Schulbesuch nahe; er soll lieber „was lernen“ und überdies ist am Dienstag eine Klassenarbeit in diesem Fach. Wäre, fragen wir uns, die wegen des Streiks entfallende Stunde eine in Mathematik?

Und warum der Streik? Die Kolumne gibt verschiedene Antworten: Unterrichtsausfall (drei Stunden allein am Montag), überzogener Datenschutz („E-Mail-Adressen und Telefonnummern darf das Sekretariat nicht herausgeben“), zu viele Hausaufgaben (sogar vom Donnerstagnachmittag auf Freitagmorgen), G 8, Paukerei in der Freizeit („jeden Sonntag sitzt er lange und unwillig an Vokabeln“), zu große Klassen („bis zu 34 Kinder“), ineffiziente Sprechtage (1200 Eltern „wuseln“ herum).

Es ist Montagmittag, zwölf Uhr. Der Sohn greift zum Handy und teilt der Mutter mit: „Von sechs Stunden fallen heute drei aus, weil die Lehrer krank sind“. Er will jetzt zur Demo. Wir fragen: Gehört die nun anstehende sechste Stunde zu den drei ausfallenden? Dann hätte der Knabe frei und könnte, in Abstimmung mit der Mutter, seine Freizeit selber gestalten. Aber er hat offenbar nicht frei, denn die Mama begründet ihre Zustimmung zur Streikteilnahme mit dem Hinweis: „Besser Streik als Gammelstunde.“ Wie haben wir das zu verstehen?

Vielleicht so: Die Schüler haben keinen Unterricht, müssen aber auf Anordnung der Schulleitung in der Schule bleiben, um dort – ja, was zu tun? Beaufsichtigt Aufgaben bearbeiten oder bloß unbeaufsichtigt herumsitzen? Jedenfalls müssten sie aus der Sicht der Frau Ott eine „Gammelstunde“ verbringen. Bei diesem Wort denken wir an etwas Minderwertiges, Schädigendes, an Gammelfleisch zum Beispiel.

Die Pointe der Kolumne: Der Siebtklässler hat in der Mathe-Arbeit eine Eins. Trotz des Streikens? Nein, will uns die Kolumnistin suggerieren, gerade deswegen. Aha.
(Blog-Eintrag Nr. 115)

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Überplant – der Calwer Bogen

Einst hieß die Kreuzung Calwer Brücke. Gemeint ist Sindelfingens Ausfalltor zum Daimler, nach Darmheim und Maichingen. Fünf Straßen kommen dort zusammen. In der Hauptverkehrszeit war immer Stau. Aber es ging dennoch voran. Dann musste das Ganze umgebaut werden, damit die S-Bahn dereinst besser unter der Brücke durchfahren kann. Nun ist der Umbau vollendet, das Kreuzungswerk ist fertig, und es ist ein Kreuz damit.

Schon der Name ist ein Problem. Calwer Brücke durfte nicht mehr sein. Während der Bauzeit sprach man vom Calwer Knoten; jetzt heißt der Bereich offiziell Calwer Bogen. Dabei hätte Knoten besser gepasst, denn es ist ein echter Knoten, für manche, die darüber oder hindurchfahren wollen, gar ein gordischer. Wahrscheinlich wird es nur denen, die ihn täglich mehrfach nutzen müssen, gelingen, sich nicht immer wieder in diesem Labyrinth zu verirren. Unlängst gab es einen Unfall, weil jemand die Ampeln verwechselt hat, vermutlich auch die Spuren. Die bilden ein wunderbares Durcheinander. Meine Jungfernfahrt über den Calwer Verkehrsirrgarten habe ich gründlich vorbereitet. Ich studierte die von der Zeitung veröffentlichten Spurenpläne und stellte mir vor, wann ich wo abbiegen müsste, um das intendierte Ziel zu erreichen. Trotzdem habe ich mich verfahren. Aller Anfang ist halt schwer. Daher mein Rat: Wer es nicht unbedingt benutzen muss, umfahre das Calwer Brücken-Bogen-Knoten-Bauwerk weiträumig.

Direkt an der Straße, mitten im Verkehrsgewühl, ist übrigens ein Fußballplatz entstanden, wahrscheinlich für die Menschen, die an diesem Bauwerk wohnen. Dort kann man kicken, umbrandet vom lauten Verkehr und den reichhaltigen Abgasen.
(Blog-Eintrag Nr. 114)

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Übertroffen – Berliner Bildungsfahrplan

Bayerns Ministerpräsident hat sich jüngst beklagt, dass die Nutznießer des Länderfinanzausgleichs sich Dinge leisten könnten, die den Geberländern im Süden der Republik nicht möglich seien. Dafür hat er heftige Schläge bekommen. Schließlich dürfe jedes Land mit seinem Geld machen, was es wolle, gaben die Empfänger kund. Berlin macht in der Schulpolitik was draus. Es übertrifft auch Baden-Württemberg in dieser Hinsicht um einiges.

Laut einer Mitteilung der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, nachzulesen auf deren Internetseiten, ist in der Hauptstadt schon jetzt das letzte Kita-Jahr kostenlos, ab 2011 werden drei Jahre umsonst sein. Davon können die Eltern im „reichen Süden“ nur träumen. Im vierten Lebensjahr gibt es in Berlin für alle Kinder einen verbindlichen Sprachtest. Wer Defizite zeigt, muss im letzten Kita-Jahr an einer täglichen Sprachförderung teilnehmen – man beachte: „muss“ und „täglich“. Auch davon sind wir in Baden-Württemberg noch weit entfernt.

In Berlin beginnt die Schulpflicht in dem Jahr, in dem ein Kind sechs Jahre alt wird. Es kann also sein, dass es bereits mit fünf eingeschult wird. Das ist früh, aber das soll so sein, damit alle Kinder möglichst früh gefördert werden. Dass dadurch Jahrgangsstufen übergreifende Klassen entstehen, ist ausdrücklich erwünscht. Ältere und Jüngere sollen gemeinsam lernen.

Auch für die Eltern wird etwas getan. Die Grundschulen bieten, heißt es, „verlässliche Betreuung von 6 Uhr bis 18 Uhr an.“ Das ist sehr zu loben. Allerdings dürfte es nicht billig sein. Doch den Berlinern sei es gegönnt; sie tun was für die Kinder mit dem Geld, das aus Baden-Württemberg kommt.
(Blog-Eintrag Nr. 113)