Das war’s dann also. Wulff ist zurückgetreten. Er hat es in guter Form getan, wie er denn überhaupt gut aussah, von seiner Frau ganz abgesehen. Was die Ästhetik der Amtsführung angeht, so ist ihm wenig vorzuwerfen. Der Mann konnte sich kleiden, er sprach ein verständliches Deutsch, er kleidete sich chic. War das nichts?
Er ist gestürzt über den Verdacht der „Vorteilsnahme“ und über sein mangelndes Schuldbewusstsein dabei. Nun tun alle so, als sei das schlimm. Dabei ist es der Alltag dieser Republik. Vorteile suchen und finden und nehmen, das ist das, was viele hierzulande gerne tun. Nur Politiker sollen nicht so sein oder sich nicht dabei erwischen lassen, wenn sie zugegriffen haben. Das ist doch eine verlogene Haltung. Da ist ein Bundespräsident endlich mal so, wie viele sind oder es gerne wären (Patchwork-Familienvater, Hausbesitzer, Luxusreisender) und dann wird puritanisch herumgemäkelt: Das, was so viele gerne in Anspruch nehmen, den Vorteil, gehöre sich nicht für einen Politiker. Der soll edel sein, hilfreich und gut, unbestechlich und frei von jedem Makel. So hätten manche gerne die Bundesrepublik, wenigstens deren politische Elite – quasi stellvertretend für uns alle.
Diese Republik ist aber nicht so. Auch ihr Präsident war nicht so. Jetzt muss er gehen. Wir suchen nach dem guten Menschen von Berlin. Vielleicht gibt es ja einen.
2 Antworten auf „Der Bundespräsident und die Werte der Republik“
Dem kann ich mich nur anschließen. In einer Welt, in der jeder seinen Vorteil sucht (was jedes Lebewesen tut), jemanden eben dieses vorzuwerfen ist kleinlich. Zumal wir es nicht mit Berlusconischen Umständen zu tun haben. Ein günstiger Kredit über Freunde (wehe dem Freund, der einem keinen Freundschaftspreis macht, wenn man was bei ihm kauft)? Eine Reise, bei der man von anderen eingeladen wird (hat es sicher bei keinem der Ankläger je gegeben). Man darf zudem eines nicht vergessen, unser Ansehen in der Welt leidet unter solchen “Auswechseleien”. Internationale Staatsoberhäupter hatten ja kaum Zeit, den deutschen Oberrepräsentanten kennen zu lernen.
Wenn der Bundespräsident sich entschuldigt, zurückbezahlt und zudem jede dieser Aktionen Jahre her ist und niemand dadurch Schaden genommen hat (er hat sich nicht auf Staatskosten bereichert, Kritiker verschwinden lassen oder Mitarbeiter entlassen, die gegen ihn waren) sollte man, bevor man nach seinem Rücktritt schreit, über den Nutzen der Aktion nachdenken. Denn Nutzen bringt sie keinem. Und was keinem nützt, außer dass man jemanden fallen sieht, nennt sich Missgunst und Neid, vielleicht auch Schadenfreude, und das ist eine traurige Bilanz für ein Volk.
Es gibt eine einfache Methode, die Verweildauer im Amt zu erhöhen: Man macht den “Ehrensold” von der Zeit abhängig, die jemand sein Amt innehat. Da würde man die Staatsoberhäupter bestimmt nicht mehr los. Aber wollen wir das wirklich?