Deutschland reinigt sich. Mit eisernem Besen werden Kinderbücher ausgefegt und alles Unschickliche, Anstößige, Unkorrekte entfernt. Der Grund leuchtet unmittelbar ein: Es gibt Wörter, die Kinder schädlich beeinflussen, ihnen ein falsches Welt- und Menschenbild vermitteln und sie zu Rassisten machen. Es handelt sich zum Beispiel um die Wörter „Neger“ und „Hexe“. Wer sie verwendet, ist ein Faschist, Rassist oder Sexist. Es wird Zeit, dass wir das Land von diesen Typen säubern.
Die Säuberung – ein Wort, das wir auch aus früheren Zeiten kennen, das aber noch nicht verboten ist – geschieht durch Umschreiben der Literatur, zunächst der K8inderliteratur, aber natürlich kann das nur der Anfang sein. Gibt es doch in der Bibel viel Anstößiges, ein falsches Frauenbild und auch ein sehr problematisches Bild der Juden. Und auch bei den deutschen Klassikern wird man, was „schlimme Wörter“ angeht, schnell fündig werden.
In einer Fachsitzung für angehende Deutschlehrer ging es einmal um Kleists Geschichte von der „Verlobung in St. Domingo“. Dort kommt bereits auf der ersten Seite „ein fürchterlicher alter Neger“ vor. Das veranlasste einen Referendar zu der Aussage, dass man ein Werk, in dem so etwas steht, keinesfalls mehr im Unterricht verwenden dürfe. Mein zaghafter Hinweis auf die historische Bedingtheit eines solchen Wortes, blieb ohne Wirkung bei den Korrekten im Kurs. Was wird uns also übrig bleiben als Kleist zu korrigieren und statt „Neger“ einfach „Mann“ zu sagen? Aber vielleicht wehren sich die Männer auch eines Tages gegen diese Diskriminierung.
Eine Antwort auf „Neger und Hexen“
Ein fürchterlicher alter Mann wird dann wegen Altersdikriminierung auch korrigiert und am Ende landen war dann bei Homo sapiens ohne Eigenschaften (frei nach Musil).
Ich finde die ganze Diskussion nachgerade erschreckend und nichts anderes als ein weiteres Ablenkungsmanöver, um die Defizite in der Bekämpfung des rechtsradikalen Terrors in Deutschland zu kaschieren.