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Wähler und Leihstimmen

Das Leihen hat mal wieder Konjunktur. Was ist das eigentlich, leihen? Man kann sich bei jemandem etwas leihen, z. B. Geld, Bücher, Kleidungsstücke oder Autos. Der Gebende ist dann der Verleiher. Das kann eine Bank, eine Leihbücherei, ein Kostümverleih oder eine Firma drin, die mit dem Ausleihen von Fahrzeugen gutes Geld verdient. Wer einem anderen das Ohr leiht, reißt es sich dazu nicht ab, sondern wendet es dem Mund des anderen zu und wird so dessen klagender oder glücklicher Rede teilhaftig. Wenn eine Bank Geld leiht, will sie dafür mehr Geld (Zinsen) zurück. Wer ein Buch leiht, zahlt eine Leihgebühr. Das gilt auch beim Verleihen von Kleidungsstücken. In der nächsten Zeit werden die Verleiher von Faschingskostümen gute Geschäfte machen.

Am vergangenen Sonntag sollen CDU-Wähler ihre Stimme der FDP geliehen haben. Hat die dafür etwas bezahlt? Mir ist nichts dergleichen bekannt, es sei denn, man verstehe die erwartete Wahl eines CDU-Ministerpräsidenten als die fällige Leihgebühr. Wollen die CDU-Wähler ihre geliehenen Stimmen wieder zurück? Auch davon ist bisher keine Rede. Wie soll das auch gehen? Man müsste die Wahl anfechten und noch einmal den Zettel ausfüllen dürfen.

Insofern ist das Wort „Leihstimme“ ein sprachlicher Unfug. Geschehen ist etwas anderes: Der autonome Wähler hat sich im Wahllokal in freier Entscheidung für eine Aufteilung seiner beiden Stimmen entschieden. Wir FDP-Wähler haben das auch manchmal gemacht. Um die aussichtslose Stimme für den FDP-Kandidaten nicht zu „verschenken“ haben wir die Erststimme einem anderen gegeben, vielleicht sogar mal einem CDU-Kandidaten. Allerdings hat das bisher nie jemand eine Leihstimme genannt, sondern allenfalls „strategisches Wählen“. Am besten wir nennen das in Hannover Geschehene auch so. „Leihstimme“ wäre für mich ein Kandidat für das Unwort des Jahres.

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