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Urteilsschelte

In der Diskussion über die Ursachen der Flüchtlingszunahme wird immer wieder auf das Urteil des Bundesverfassungsgericht von 2012 hingewiesen. Das sei ein großer Fehler gewesen. Es habe die Bundesrepublik zu einem attraktiven Ziel für Fremde gemacht. Was ist damals eigentlich geschehen? Sozialgerichte hatten sich mit Klagen wegen unzureichender staatlicher Leistungen für Asylbewerber herumzuschlagen und haben sich Rat suchend an das oberste Gericht gewandt. Dort stellte man fest, dass die geltenden Regelungen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar seien. 1993 hatte man ein Gesetz geschaffen, das Asylbewerbern deutlich weniger staatliche Unterstützung zusprach als zum Beispiel den anderen (jetzt nach Hartz IV) Unterstützten. Es sollte „abschrecken“. Das hat es wohl auch getan. Doch das Grundgesetz sieht keinen Unterschied zwischen den einheimischen und den zugewanderten Menschen vor. Es geht dort um die „Würde des Menschen“ und nicht um „die Würde des deutschen Menschen“. Jeder habe ein Recht auf ein „menschenwürdiges Leben“, sagte unser höchstes Gericht damals. Auch die beiden Kirchen äußerten sich bei der Anhörung in diesem Sinne. Der Staat sei verpflichtet, dafür zu sorgen, dass dieses Leben ermöglicht werde. Was tun, wenn plötzlich so viele ein menschenwürdiges Leben bei uns wollen? Vielleicht sollten jene, die in diesen Wochen auf das BVG schimpfen, einmal deutlich sagen, was sie wollen. Das Grundgesetz ändern? Die Sozialleistungen für alle senken? Flüchtlinge mit Wasserwerfern und Pfefferspray nach Österreich zurücktreiben? Militärisch in den Syrienkrieg eingreifen? Den Balkan aus der EU werfen? Wieder Mauern errichten?

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