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Tatort-Tort

Die Welt ist voller Verbrechen, noch mehr aber das Fernsehen. An jedem Tag servieren sie uns einen Kriminalfilm. Den Vogel schießt derzeit die ARD mit ihrem „Tatort“ ab. Im Programmheft für die Woche vom 26.12. bis 1.1. habe ich acht Filme dieser Reihe gezählt. Das sind mehr als die Woche Tage hat. Früher wurde man mit dem „Tatort“ nur einmal in der Woche behelligt, am Sonntagabend. Jetzt pflastern die Verantwortlichen die besten Sendeplätze „zwischen den Jahren“ zu. Nicht dass ich etwas gegen Krimis hätte, aber die „Tatort“-Durchschnittsware nervt. Ich weigere mich, diese Null-Acht-Fünfzehn-Dramaturgie weiterhin gut zu finden. Immer die gleichen Geschichten mit anderen Personen. Immer die gleichen Sätze aus verschiedenen Kommissar-Mündern. Die wahrhaft guten Kriminalfilme werden in die späten Abendstunden gelegt oder bei Arte versteckt. Man muss schon sehr aufpassen, dass einem Reihen wie „The Fall“ oder „Luther“ nicht durch die Lappen gehen. Da werden Geschichten nicht ins Prokrustesbett der 90 Minuten gepresst, da gibt es neue Blickwinkel der Kamera und kunstvoller verschlungene Handlungsstränge. Da wird nicht genuschelt wie im deutschen Fernsehfilm, bei ordentlicher Synchronisation verstehen auch wir Älteren die Dialoge. Man muss zugeben, dass sich der „Tatort“ für die deutschen Schauspieler segensreich auswirkt, findet doch fast jeder dort ein eine kleine oder große Rolle. Aber das Format ist nach über 900 Produktionen ausgelutscht und leergedreht. Vielleicht nutzt die ARD die Chance, das Ganze mit der tausendsten Folge einzustellen. Die in den Archiven lagernden Filme könnten dann noch ein weiteres Jahrzehnt immer wieder abgespielt werden. Zur Freude der Nostalgiker und zur Schonung der Sender-Etats.

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Unterwerfung

Vor einigen Monaten ist Michel Houellebecqs Roman „Unterwerfung“ erschienen. Das fiel zusammen mit dem Anschlag auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo und hat die Wahrnehmung des Buches beeinflusst. Inzwischen ist in Paris ein noch grausamerer Terrorakt verübt worden und am letzten Sonntag wurde gewählt. Kann man sich bei der Lektüre davon freimachen? Man kann, denn Houellebecqs Geschichte ist ein Gedankenexperiment: 2022 hat die muslimische Partei unter ihrem genialen Führer Ben Abbes die Präsidentschaftswahl gegen die politische Rechte Le Pens gewonnen. Die alten Parteien waren chancenlos. Die Folgen spielt der Autor an einer für Frankreich typischen Figur durch, dem Literaturwissenschaftler François. Er hat sich mit Studien über den Schriftsteller Huysmans einen Namen gemacht, der im Alter zum Katholizismus gefunden hat. Auch François ist ein Suchender. Sein Leben abseits der Wissenschaft verläuft oberflächlich. Immer wieder denkt er an Suizid. Nach der Machtübernahme der Muslime wird er zunächst entlassen, dann aber bietet sich ihm die Chance einer neuen Karriere – sofern er zum Islam übertritt, sich also „unterwirft“. Den Romantitel kann man doppelt lesen: als Übersetzung des Wortes „Islam“, aber auch im Sinne von Machtergreifung. Denn die französische Gesellschaft verändert sich rapide. Die Frauen verschwinden aus dem öffentlichen Leben und finden nun ihre Erfüllung als Erst-, Zweit- oder Drittfrau bedeutender Männer. Die Saudis übernehmen die Universitäten und gestalten sie in ihrem Sinne um. Das Bildungswesen verliert rapide an Bedeutung. François macht sich zwar viele Gedanken über die Konsequenzen, aber er wird nicht zögern, das Glaubensbekenntnis des Islam zu sprechen. Wird vor 2022 die politische Rechte die Politik bestimmen? (Verlag: Dumont)