Heute ist es sogar den Zeitungen einen Bericht Wert, das Thema Müll in der Landschaft. Aber wenn es den Stuttgarter Schlossplatz trifft, dann ist die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit sicher. Hingegen ist der alltägliche Anblick von Weggeworfenem auf Straßen, Gehwegen, Parkanlagen, Park- und Spielplätzen, an Waldrändern, Seen, in Straßenbahnen und S-Bahnen zumeist weit unterhalb der medialen Wahrnehmungsschwelle. Die Stuttgarter Zeitung fordert „Einsicht“ – die Wegwerfer sollen erkennen, dass ihr Tun nicht in Ordnung ist. Diese Forderung ist sinnlos. Den Müllabladenden fehlen ganz andere personale Eigenschaften. Es mangelt ihnen nicht an Einsicht, sondern an Kinderstube, will sagen: einer Erziehung zur Sauberkeit. Sie leiden unter einem ästhetischen Defizit, denn sie sehen das Störende am herumliegenden Müll gar nicht. Fast möchte man meinen, sie erfreuten sich an ihm. Eine Landschaft ohne Müll kennen sie gar nicht. Unsereins wurde als Kind heftig getadelt und nicht selten bestraft, wenn man etwas fallen oder liegen ließ. Es galt als asozial, wer das Wegräumen des eigenen Mülls anderen überließ. In der Schule gab es Sanktionen für Einzelne oder die ganze Klasse, wenn das Klassenzimmer am Ende des Schultags unordentlich verlassen wurde. „Narrenhände beschmieren Tisch und Wände“, dieser Satz meiner Klassenlehrerin am Wirtemberg-Gymnasium in Stuttgart-Untertürkheim hat sich mir tief eingeprägt. Einen Müllsünder als Narren zu bezeichnen traut sich heute niemand mehr. Es wäre ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot, denn auch Müllwegwerfer sind Menschen mit Würde. Von mir aus. Aber was tun? Vermutlich geht es nicht über das Anmahnen von Einsicht, sondern nur über den Griff in den Geldbeutel. Man müsste diese „Dreckspatzen“ (wer weiß eigentlich noch, was damit gemeint ist?) auf frischer Tat ertappen. Aber das scheitert am Fehlen von Müllsheriffs. Ergo: Lernen wir mit dem Anblick von Müll zu leben!
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