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Reformatorischer Alltag

Der 31. Oktober ist nur in den neuen Bundesländern, wo es so gut wie keine Christen mehr gibt, ein Feiertag. In Baden-Württemberg ist es beim katholischen Allerheiligen als Feiertag geblieben. Die Protestanten sind ein Jahr nach der Luther-Fest-Orgie wieder im unheiligen Alltag angekommen. Konkret heißt das: Dauernd wird am Abend des 31. Oktober an der Haustür geklingelt. Kleine und nicht ganz so kleine verkleidete Kinder stehen davor und sagen den Spruch: Süßes oder Saures. Wenn man sie fragt, was sie mit dem Sauren meinen, schauen sie ratlos. Offenbar wird ihnen reichlich gegeben, denn auf den Wegen liegen Bonbon-Papiere und andere Verpackungen zu Hauf. Ist das mit dem Sauren gemeint, dass ich nun den Halloween-Müll aufsammeln soll? Dabei ist der Ärger über den Reformationsabend in der hiesigen Kirche noch nicht verflogen. Ein Vortrag über „Glaube und Bildung“ war derart unverständlich (zahllose Versprecher, unübersichtliche Schachtelsätze) und unbekömmlich (unbegründete Attacken gegen die Aufklärung und PISA), redundant (ständige Wiederholung von Banalitäten) und am Thema vorbei (Luther und die Juden, Luther und der Bauernkrieg, landesherrliches Kirchenregiment), dass man laut aufschreien hätte wollen oder wütend die Kirche verlassen. Das tut man natürlich nicht. Nicht einmal diesen Mut hat unsereinem Luther vermittelt. Der hat des Volkes manchmal derbe, aber auf jeden Fall eine deutliche Sprache gesprochen. Und sogar Deutsch. Nicht dieses pseudowissenschaftliche Kauderwelsch, das ständig über uns ausgegossen wird. Reformation? Fehlanzeige.

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