Die einen wollen, dass alles wieder so wird, wie es vor der Seuche war, die anderen erkennen in ihr eine Chance, dass künftig vieles anders wird. Sie meinen damit besser. Soziologen werden in einigen Jahren sagen können, welche Erwartung sich erfüllt hat. Vermutlich wird vieles gleich und manches anders sein. Ein ambivalentes Wortpaar hat sich dazu gemeldet: neue Normalität. In den Schulen kann man sie sich schon vorstellen. In den Rechnern der Rektorate werden zwei Stundenpläne lagern, der normale Plan und der Notfallplan. Neben den Unterrichtsentwürfen für den Präsenzunterricht warten die Materialien für den digitalen Fernunterricht auf ihren Einsatz. Die Notenbildungsverordnung bekommt einen Zusatz, der regelt, wie die Leistungen der zu Hause erbrachten Leistungen in die Gesamtnote eingehen sollen. Das von den Lehrkräften erwartete Verhalten in pandemischen Situationen wird in einer Verwaltungsvorschrift rechtssicher formuliert. Im Keller der Schule stehen Kartons mit gesichtsbedeckenden Masken, der Schulhof ist per Graffiti in Zonen eingeteilt, in den Klassenzimmern oder in den Fluren wird man mehr Schränkchen sehen, für jeden Lernenden eines. In den Umkleideräumen der Sporthallen findet man auch welche. Sie sind nach jedem Gebrauch zu reinigen. Aber von wem? Der Schwamm zum Tafelputzen wird zum Problem werden und möglicherweise verschwinden. Er war schon immer eine Brutstätte für Keime. Vielleicht fallen die Tafeln überhaupt dem Virus zum Opfer und müssen Whiteboards weichen. Lehrkräfte mit vulnerablen Eigenschaften müssen wieder arbeiten, aber sie werden jede Woche getestet. Die Gewerkschaften werden dies als diskriminierend geißeln. Die Betroffenen arbeiten an ihrem vorzeitigen Ruhestand. Das erhöht die Chancen der Lehramtsanwärter. Nach einem Jahr etwa wird die neue Normalität so gut wie vergessen sein, wenn das Virus mutiert ist und keine Lust mehr hat, sich zu vermehren.
Kategorien