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Kaltes Deutschland

Fatma Aydemirs Roman „Dschinns“ (2022) steht auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Ein Dschinn ist in der islamischen Glaubenswelt ein Geistwesen, ein unsichtbares zwar, aber trotzdem von den Menschen wahrnehmbares. Die erste Geschichte in diesem Roman handelt vom Sterben Hüseyins, kurz nachdem er die mühsam ersparte Wohnung in Istanbul bezogen hat. Diese Geschichte wird von einem Dschinn erzählt, ebenso die letzte, bei der wenig später Hüseyins Frau Emine in besagter Wohnung bei einem Erdbeben zu Tode kommt. Beide sind kurdischer Herkunft, verbergen das aber, weil sie Angst vor Verfolgung haben und ihre Kinder nicht in die kurdischen Probleme hineinziehen wollen. Sie haben des Geldes wegen Jahrzehnte in Deutschland gelebt, das in diesem Roman als ein Ort der Kälte und des nationalistischen Fremdenhasses gezeichnet wird. Das Ehepaar hat fünf Kinder. Das älteste Kind ist ein Mädchen, das nach altem Brauch an den Bruder Hüseyins abgegeben wird, weil dessen Ehe kinderlos ist. Emine verwindet diesen Verlust nie. Sevda, die zweite Tochter, wird von der Mutter wenig geliebt. Der Sohn Hakan ist ein Loser mit krimineller Energie, die Tochter Peri bricht aus den Familienkonventionen aus und führt als Studentin an der Universität Frankfurt ein recht freizügiges Leben. Der Jüngste, Ümit, erkennt allmählich seine homosexuelle Orientierung, darf sich aber nicht offen dazu bekennen. Ein Arzt, der eigentlich ein Quacksalber ist, soll ihn von seiner „falschen Haltung“ befreien. Es ist eine sehr komplizierte Familie, von der hier erzählt wird. Ob ihr Denken und Handeln typisch für hiesige türkisch-kurdische Familien sind, weiß ich nicht, bezweifle aber, dass das negative Deutschlandbild von der ganzen türkischen Community geteilt wird.

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