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Großartiges Amerika

Seit dem 6. November wissen wir es: Die Vereinigten Staaten von Amerika sind auf dem Weg zu neuer Größe. Der MAGA-Kandidat – warum heißt er nicht MEGA-Kandidat? – hat eine Mehrzahl der Wähler überzeugt. Wir im alten Europa sehen alt aus. Manche zittern aus Angst vor dem, was uns blühen wird. So wird der Tramp den Import unserer Waren durch Zölle verteuern. Er wird verlangen, dass wir mehr Geld fürs Militär ausgeben. Der Ukraine wird er den Beistand durch Waffen verwehren und wir sollen es ausgleichen, wenn wir meinen, es sei nötig. Er wird aus dem Klimaabkommen aussteigen und sich bemühen, dass die globale Luft mit mehr amerikanischem CO2 angereichert wird. Der Tramp-Erfolg wird die nationalistischen Parteien in Europa beflügeln. Der Ungar Orban reibt sich die Hände. Die italienischen, niederländischen, tschechischen und dänischen Nationalisten wittern Morgenluft. Jüngst haben sich die Rumänen auf den braunen Weg gemacht. Und wir anderen regen uns auf, befürchten das Schlimmste, sehen den Niedergang Europas bzw. dessen Verwandlung in eine Versammlung von Vasallen des neuen großartigen Amerika. Die Folgen: Flüchtlingen werden endlich das Betreten europäischen Bodens unterlassen. Der Klimawandel wird von seinen Leugner mit einfachen Argumenten beseitigt. Aus der Katastrophe wird eine Wetterkapriole, gegen die man sich halt schützen muss: Man kann in heißen Sommern die Klimaanlage einschalten, bei Regen einen Schirm mitnehmen, bei Sturm die Fensterläden gut befestigen und bei schlechter Luft einfach zu Hause bleiben. An Wasser mangelt es hier nicht; wir haben den Bodensee. Wenn dem Staat das Geld ausgeht, soll er sparen. Wer nichts arbeitet, soll sehen, wo er (oder sie) bleibt. Und sollte es weitere Probleme geben: Die großartigen USA werden uns zeigen, wie man sie löst.

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Aufgeschobene Probleme

Die Zeiten vor Wahlen sind entscheidungsarm. Man löst keine Probleme, man benennt sie allenfalls und verweist darauf, dass man sie lösen werde, wenn man vom Wähler den Auftrag dafür bekäme. Da ist Skepsis abgebracht. Schauen wir auf einige Aufgaben der Politik: In Baku wird uns vor Augen geführt, wie es mit dem Klima steht. Der CO2-Ausstoß setzt sich ziemlich ungebremst fort. Es geht nicht mehr um das Ziele 1,5 Grad, inzwischen dürfen wir froh sein, wenn es keine 3 Grad werden. Für die Hilfen an betroffene ärmeren Länder werden das Zehnfache an Dollar gebraucht, wie die Verursacher-Staaten zu geben bereit sind. Hier schimpfen alle auf das Heizungsgesetz. Was wird die neue Regierung tun? Nötig wäre, es zu verschärfen. Häckerling rechnet mit dem Gegenteil. Werden die hiesigen Autobauer ein billiges E-Auto anbieten? Warum sollten sie? Damit wäre nichts verdient. Wird künftig emissionsarm gebaut? Nein. Wer soll das bezahlen? Gibt es weiter billiges Fleisch? Ja, denn wir machen den Essern keine Vorschriften. Und wie wird es mit dem Mangel an Geld weitergehen? Er wird zunehmen. Die Transformation wird nur akzeptiert, wenn der Staat die Sozialausgaben steigert, wenn er E-Autos subventioniert, die Energie für die Industrie mit Steuergeldern billiger macht, wenn er ins Krankenhauswesen massiv Geld pumpt und der Bahn mit weiteren Milliarden ihre Generalsanierung bezahlt, das Deutschland-Ticket fördert, die Brückenreparaturen und den Hochwasserschutz beschleunigt, Und dann ist auch noch die Ukraine mit Waffen am Leben zu halten. Da die normalen Einnahmen aus der Steuer dafür nicht ausreichen werden, muss die Schuldenbremse entfallen. Das machen ja alle, warum nicht auch wir? Die nächste Generation wird es schon richten. Notfalls gibt es einen weltweiten Schuldenerlass. Unsereins fragt sich, wer den bezahlen wird. Die reichen Chinesen, das russische Imperium, die Großmacht Indien?

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Uneiniges Land

Der 3. Oktober lässt sich heuer neblig und ungemütlich an, als wollte auch das Wetter ein bisschen symbolisch sein. Im 35. Jahr des neuen deutschen Staates dräuen Wolken über ihm und mehren sich die trüben Eindrücke. Die Menschen in den östlichen Bundesländer haben sich offenbar anderes erwartet, als sie 1990 der Bundesrepublik „beigetreten“ sind: West-Mark, Reisen, Konsum, Wohlstand, „blühende Landschaften“, manche wohl auch Freiheit. Sie haben anfangs dieses Neue auch genossen. Bald aber wuchs der Frust: über die „Abwicklung“ ihrer oft nicht konkurrenzfähigen Firmen, den Verlust des Arbeitsplatzes, die Arroganz der Westler. Wenn ich Jessy Wellmers Buch „Die neue Entfremdung“ richtig verstanden habe, liegt das größere Versagen bei den Westdeutschen, die unsensibel und rücksichtslos den Osten plattgemacht haben. Eher weniger Schuld gibt die geborene Mecklenburgerin ihren „eigenen“ Landsleuten. Sie sollten nicht so empfindlich sein, sollten mehr die Chancen sehen als die Mängel. Die TV-Journalistin gibt sich große Mühe, uns „den Osten“ begreiflicher zu machen. Das gelingt ihr auch manchmal. Aber auch dieses durchaus lesenswerte Sachbuch schafft es nicht, uns die Denkweise derer „von drüben“ verständlich zu machen: In der DDR war nicht alles schlecht – akzeptiert. Man konnte, wenn man sich anpasste, ganz gut leben – mag sein. Aber warum dieser Rechtsruck, diese verbreitete Ablehnung der Demokratie, dieser Hass auf eine Regierung, die zwar nicht immer glücklich agiert, aber doch Beträchtliches geleistet hat, diese Unterstützung Putins beim Wiederaufbau des russischen Imperiums? Das Problem der Uneinigkeit besteht darin, dass wir im Westen die im Osten nicht richtig verstehen, dass aber auch – wage ich zu ergänzen – die drüben kaum Bereitschaft zeigen, uns Westler zu verstehen. Welche Spuren der DDR-Staat bei denen hinterlassen hat, die es vor der „Wende“ auf sich genommen haben, ihn zu betreten, davon redet niemand. Aber diese Demütigungen kann unsereins nicht vergessen. Verständnis dafür ist nicht zu erwarten.