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Atomares Feuchtgebiet

Die Autorin des bestsellerischen Buches „Feuchtgebiete“ hat zum „körperlichen Einsatz gegen die Atompolitik der Bundesregierung“ aufgefordert und will selbst ein Beispiel geben: Wenn der Bundespräsident das neue Energiegesetz nicht unterzeichne, sei sie bereit, mit ihm „ins Bett“ zu gehen – was immer auch das heißen mag

Da stellen sich nun einige Fragen. Erstens: Ist das jetzt ein Opfer der bekennenden Castorbekämpferin oder eher nicht? Zweitens: Soll das Bett vor oder nach der Nichtunterzeichnung aufgesucht werden? Im ersten Fall wäre es Bestechung, im zweiten Belohnung. Drittens: Sollte der Präsident aller Deutschen das Angebot nicht schon deshalb, weil er damit endlich gegenüber seinen Kollegen im Süden, Westen und Norden Boden gutmachen würde?

Politisch gesehen dürfte das „unmoralische Angebot“, wie es unsere Medien einstimmig nennen, eher die gegenteilige Wirkung haben. Denn kann Wulf jetzt tatsächlich noch seine Unterschrift unter das Gesetz verweigern, ohne ins Zwielicht zu geraten? Unterschreibt er nicht, wird man mutmaßen, dass er einen fremden Besuch in seinem Bett gehabt hat oder haben will, unterschreibt er, verscherzt er sich das Wohlwollen der atomaren Gegner.

Manchmal ist es schwer, ein Bundespräsident aller Deutschen zu sein.

(Blog-Eintrag Nr. 229)

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Schillerschänder

Auch der regionale Krimi hat ein Lebensrecht. Jeder Kriminalroman muss schließlich irgendwo spielen. Das kann in Göteborg sein oder in Glasgow, in Bern oder Wien, warum nicht auch in Stuttgart oder Marbach? 2009 ist ein Werk entstanden, das an letztgenanntem Ort spielt. „Schillerhöhe“ lautet der Titel; Schiller spielt darin auch eine Rolle, als Standbild beim Nationalmuseum und als Ideengeber beim ersten Mord. Der wird mit einer Armbrust vorgenommen. Auch ein – nicht getroffener – Apfel liegt neben der Leiche. Die wurde also getroffen.

Häckerling bekennt sich zur Lektüre von Kriminalromanen. Aus ihnen erfährt er allerlei Neues über unsere Welt und die darin herrschenden Zustände. Mit froher Erwartung nahm er daher „Schillerhöhe“ in die Hand. Aber die wich alsbald der Enttäuschung. Eine solche Trivialität hat Marbach nicht verdient und erst recht nicht „unser Schiller“.

Die Story leidet unter einem Mangel an Stringenz. Warum ein ehemaliger Grenzsoldat wegen eines Vorfalls in den 70er Jahren, also nach fast 40 Jahren, einen ehemaligen NVA-Offizier umbringen soll, erschließt sich dem Leser nicht. Und dass gleich drei DDR-Schurken auf einmal in Marbach aufeinandertreffen, ist recht merkwürdig.

Die Charaktere sind so wenig schlüssig gezeichnet, dass sich Schiller mit Grausen abwenden würde. Die Kommissarin ist selbstverständlich eine Lesbe. Es tritt eine Schriftstellerin aus der DDR auf, die angeblich ihre Werke vor der Wende eingegraben und danach wieder ausgegraben hat und nun, lange nach dem Beginn des dritten Jahrtausends, erfolgreich daraus liest, auch in Marbach. Damit man diese Frau ermorden kann, stattet der Autor sie mit einem Alkoholproblem aus. Der dortige Bürgermeister hat auch eines und eine Liaison mit einer Marbacher Hotelbesitzerin, ihres Zeichens Edelhure aus Italien. Dass die beiden dann noch ein gemeinsames Kind haben dürfen, finden am Schluss alle nett, sogar die Frau des Bürgermeisters.

Die Sprache des Werkes ist schlicht, was kein Tadel sein muss; aber man stößt doch auf Sätze, die einem unangenehm aufstoßen. Besonders neckisch werden die Szenen zischen dem Bürgermeister und der Hotelbesitzerin erzählt: „Rieker nahm ihre Hand, er saß auf der Bettkante und rückte sich die Krawatte zurecht.“ Mit welcher Hand tut er was? Dann heißt es: „Er küsste sie auf den Mund, aber sie wandte sich ab.“ Nach dem Kuss oder davor? – Dann doch lieber Schiller im Original: „Diesen Kuss der ganzen Welt!“

(Blog-Eintrag Nr. 228)

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Schäubles Offer-barung

Vielleicht wollte er ihn ja sowieso loshaben, den „Offer“, wie er ihn öffentlich nannte. Und da schien es ihm eine gute Idee zu sein, seinen Sprecher „vorzuführen“. Wie ein Zirkusbär musste der vor den Journalisten tanzen. Die hatten was zu lachen und der Schäuble auch, der lachte sein bekanntes spitzbübisches Lachen.

Nun hat Offer das Handtuch geworfen. Das war auch höchste Zeit nach dieser Demontage vor den Augen Hunderttausender Internetnutzer. Schäuble hat den Rücktritt angenommen, natürlich, er wollte es ja so. Ziel erreicht. Der Missliebige ist weg.

Darf man das als Minister so machen? Darf man in dieser Gehaltsklasse seinen Scherz mit Untergebenen treiben? Gilt für die politische Oberschicht nicht, was jeder andere Vorgesetzte zu achten hat – die Würde seiner Mitarbeiter?

Wahrscheinlich hatte Herr Offer einen Fehler gemacht. Wenn der Chef wünscht, dass Unterlagen verteilt sein müssen, dann müssen sie verteilt sein. Und wenn man es nicht rechtzeitig schafft, muss man dem Chef sagen, dass dem so ist.

Aber als Vorgesetzter darf man einen Mitarbeiter nicht öffentlich abkanzeln. Das macht man unter vier Augen. Und wenn man den Betreffenden loshaben will, sagt man es ihm auch – vertraulich, aber nicht auf öffentlicher Bühne. Offer hat einen Fehler gemacht. Schäuble einen noch größeren.

(Blog-Eintrag Nr. 227)