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Ungeregelt – Bund und Bildung

In der Wochenzeitschrift DIE ZEIT wird (in Ausgabe 42/2009) ein stärkeres Engagement des Bundes in der Bildung gefordert. Die neue Koalition solle ein „starkes Ministerium“ bilden, in dem die Zuständigkeiten „vom Kindergarten über die berufliche Integration lernschwacher Migranten bis zur Spitzenforschung“ gebündelt wären. Besonders auf „die frühe Kindheit“ und „die hohe Zahl an Bildungsverlierern“ sollte sich die Bundesregierung konzentrieren.

Dass dem Bund die Zuständigkeit in Schulfragen fehlt, ficht den ZEIT-Schreiber Martin Spiewak nicht an. Man müsse halt die Regelungen des Grundgesetzes „geschickt umgehen“. Ist gemeint: gegen die Verfassung verstoßen? Warum haben wir sie dann überhaupt? Aber wer diese Frage stellt, gehört nach Spiewak zum „Chor der Kleinmütigen“. Offenbar soll man sich nicht an Kleinem wie dem Grundgesetz stoßen, wenn man zu großen Bildungstaten unterwegs ist.

Aber was soll eine Bundeszuständigkeit für den Kindergarten bringen? Es geht doch darum, vorschulische und schulische Arbeit wesentlicher enger zu verflechten. Wir brauchen (im Lande Baden-Württemberg) ein schlüssiges Konzept für die Förderung im Kindergartenalter. Dazu gehören die Sprachförderung, aber auch die Stärkung des Musischen, die Anregung zur Bewegung, der regelmäßige Gang in die Natur und vor allem die Unterstützung der Kinder beim Selbstständigwerden. Die Grundschule muss wissen, worauf sie aufbauen kann. Die dort Lehrenden sollten daher häufiger die Kindertagesstätten besuchen und die im vorschulischen Bereich Tätigen bei regelmäßigen Schulbesuchen sehen, was aus „ihren Kindern“ geworden ist. Daraus würden sich Hinweise ergeben, wie man „die Kleinen“ besser auf die Grundschule vorbereiten könnte.

Die Abstimmung zwischen Kindergarten und Schule darf nicht dem Engagement Einzelner überlassen bleiben, sondern muss institutionell abgesichert werden. Das kann nicht von Berlin aus geschehen, sondern – hierzulande – von Stuttgart aus, und zwar vom Kultusministerium.

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Ungetrennt – Religion in der Schule

Auch wenn ich ihr oft zustimmen muss, wenn sie vehement die Verirrungen der Politik geißelt, diesmal muss ich ihr widersprechen, der Kolumnistin Krause-Burger, wenn sie (in der Stuttgarter Zeitung vom 6.10.09) fordert, dass man „an staatlichen Schulen die Ausübung der Religion um der Kinder willen heraushalten“ soll. Diese „Riten“ führten in der Schule zum „Chaos“ und machten sie zum „Schlachtfeld“. Man dürfe „es mit der Toleranz nicht zu weit treiben“. Das gelte auch dann, wenn „es juristisch anfechtbar“ sei. Starke Worte.

Häckerling meint, hier wird das Kind (der in einer Berliner Schule betende Muslim Yunus“) mit dem Bade ausgeschüttet. In Baden-Württemberg ist die Jugend „in Ehrfurcht vor Gott“ und „im Geiste christlicher Nächstenliebe“ zu erziehen, so verlangt es die hiesige Verfassung im Artikel 12. Das hat nicht nur im Religionsunterricht zu geschehen, sondern in jedem Fach. Es handelt sich dabei nicht um die „Ausübung der Religion“, sondern um die Erziehung „auf der Grundlage christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte“. Das mag fremd klingen, aber es ist in diesem Bundesland geltendes Recht. Zur Beugung dieses Rechtes aufzufordern steht auch einer kritischen Journalistin nicht gut an.

Aber was will die Kolumnistin eigentlich? Die Abschaffung des Religionsunterrichts und die allgemeine Einführung eines „neutralen“ Ethikunterrichts? Ein Kopftuchverbot für muslimische Mädchen? Das Untersagen meditativer oder als Gebete deutbarer Phasen im Unterricht oder in den Pausen? Das Gebet bestimmt den Schulalltag (noch) nicht, aber die Aufarbeitung schlimmer Ereignisse (Unfalltod, Suizid von Schülern, Katastrophen, Amokläufe) ist in der Schule hilfreich nur möglich, wenn Elemente der „Ausübung von Religion“, also zum Beispiel auch Bekenntnisse gläubiger Hoffnung und Zuversicht, erlaubt sind und nicht – wie Frau Krause-Burger es will – „um der Kinder willen“ aus der Schule „herausgehalten“, also verboten werden.

Gebete und andere Riten können wir in der Schule durchaus noch aushalten. Wenn man sie untersagt, verschwindet wahrscheinlich auch der letzte Rest an Werteorientierung – und die Diskussion darüber.

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Unbekömmlich – das europäische Schulobst

Eine gelungene Schlagzeile: „Das Schulobstprogramm schmeckt den Städten nicht“ (Stuttgarter Nachrichten, 9.10.09). Auch das, was sie zum Ausdruck bringt, ist unbekömmlich, weniger der Finanzierungsprobleme wegen, die den Kommunen schwer im Magen liegen, als aufgrund der pädagogischen und bürokratischen Begleiterscheinungen.
Das Programm soll im Frühjahr beginnen. Welches Obst soll da verteilt werden? Europäische Bananen, gibt es die im März? Die Kirschen sind noch nicht reif. Die Zwetschgen und Pflaumen könnten allenfalls als Dörrobst gereicht werden. Die Beeren liegen in der Tiefkühltruhe oder als Marmelade auf dem Frühstücksbrot. Da bleiben nur noch die teuren eingelagerten Äpfel übrig. Doch wir wissen: „Ein Apfel täglich – der Gesundheit zuträglich“. Das gilt auch für die Schulkinder.

Wie kommt der Apfel zum Schulkind? Es müsste eine wöchentliche oder monatliche Zulieferung organisiert werden, am besten gekoppelt mit der ins Auge gefassten Schulmilchzufuhr. Das Obst ist dann, getrennt nach Früchten, im Keller der Schule zwischenzulagern. Die hygienische Unbedenklichkeit des Lagerplatzes wäre vom Gesundheitsamt zu prüfen. Was die Verabreichung des Obstes angeht, so müsste man zuerst die Frage klären, ob die Schülerinnen und Schüler es essen dürfen oder müssen. In beiden Fällen hätte die Schulkonferenz darüber zu beraten und zu beschließen.

Und wer verteilt die Äpfel oder Birnen, die Bananen oder Melonen? Der Klassenlehrer in einer seiner Stunden? Das wäre gefährlich, denn er könnte versucht sein, selbst vom Obst zu naschen. Das aber untersagt die EU strikt. Wie wäre es mit dem Hausmeister in einer Pause? Oder Eltern, die sich freiwillig für diese Arbeit melden? Auch Schüler kämen in Frage; sie würden sich (unter der Obhut der SMV) wahrscheinlich gerne darum kümmern, wenn man sie zur Vorbereitung der Obstausgabe früher vom Unterricht freistellte.

Wann soll man das Obst verteilen? Die EU verbietet eine Koppelung mit dem Mittagessen (Sperrfrist: 30 Minuten davor und danach), obwohl Obst als Nachtisch durchaus sinnvoll wäre. Also bleibt nur die große Pause. Da aber viele Schüler ohne Frühstück zur Schule kommen, könnte man sich auch die erste Stunde vorstellen.

Die Europäische Union, die sich die Aktion Schulobst etwas, wenn auch nicht viel, kosten lässt, möchte wissen, ob dadurch das Essverhalten der Schüler nachhaltig verändert wird. Dazu wäre eine wissenschaftliche Begleitung nötig. Häckerling schlägt eine Promotion mit folgendem Thema vor: „Der Einfluss eines regelmäßigen Schulobstverzehrs auf die Essgewohnheiten und den Gesundheitszustand von Fünfzehnjährigen“. Man könnte dann (als Synergieeffekt) zugleich untersuchen, ob sich das Schulobstprogramm positiv auf die PISA-Leistungen auswirkt.