Kategorien
Gesellschaft Kirche

Kindliche Botschaft

Weihnachten ist ein Kinderfest, das Fest, in dem ein Kind (und mit ihm jedes Kind) im Mittelpunkt steht. Jesus, von dessen prekärer Geburt die christliche Legende so anschaulich erzählt, rät Jahre später, als 30-Jähriger, seinen Freunden – und damit im Sinne der christlichen Tradition auch uns – ab und zu in die Rolle des Kindes zu schlüpfen. Was würden wir als Kinder sehen und erleben? Uns würde auffallen, wie maßlos dumm und rücksichtslos die Erwachsenen, die Menschen überhaupt, mit der Erde umgehen. Als Kinder würden wir deutlicher die Ungerechtigkeit der Lebensverhältnisse, die Unterschiede zwischen Arm und Reich, erkennen. Wir wären als Kinder wahrscheinlich noch entsetzter über die kriegerischen Staatenlenker, die Menschen töten, weil es ihnen etwas nützt. Als Kinder wären wir noch sensibler, wenn pathetische Reden gehalten werden. Vielleicht hätten wir sogar den Mut, diese Schwätzer auszulachen. Wir könnten mit unserem kindlichen Empfinden unmittelbarer wahrnehmen, wie kaltblütig viele Menschen ihre eigenen Interessen durchsetzen. Als Kinder brauchen wir viel Liebe und würden daher den Mangel an herzlichem Miteinander sehr vermissen. Wir würde als Kinder auf die Kirchen blicken und uns fragen, warum sie es nicht schaffen, die Menschen zu bessern, wo es doch ihre Heilige Schrift gebietet. Vielleicht würde unser kindliches Denken so weit gehen, Jesu Vision von einer menschlichen, friedlichen und gerechten Welt als unerfüllbaren Wunschtraum anzusehen. Aber vielleicht sagt uns Kindern jemand, der schon erwachsen ist, dass dieser Jesus unerschütterlich in seinem Glauben an uns ist. Er würde gegen allen Anschein die Hoffnung nicht aufgeben, dass wir uns verändern können. Es wäre viel gewonnen, wenn wir diese Hoffnung teilen könnten.

Kategorien
Geschichte Kirche

Naher Osten

Warum sagen wir so? Nicht nur, weil „Kleinasien“ (dürfen wir das noch sagen?) näher liegt als Süd-Ost-Asien, sondern weil dort die religiösen Quellen flossen, die unser Wertesystem (derzeit noch) speisen. Über die jüdische Religion wurden uns die „Zehn Gebote“ vermittelt und der Gedanke eines Friedensreiches – mit Zion im Zentrum. Auch wenn im „Alten“ Testament, das eigentlich „Erstes“ heißen sollte, denn „alt“ suggeriert „veraltet“, auch wenn dort von viele Kriegen erzählt, so bricht doch immer wieder die Sehnsucht nach Frieden durch. Schwerter sollen zu Pflugscharen werden, heißt es beim Propheten Micha. Der Satz hat lange Zeit die Friedensbewegung begleitet. Auch das Christentum stammt aus dem von uns aus gesehen „Nahen Osten“. Es versteht sich einerseits als „Vollendung“ der altbiblischen Hoffnungen, andererseits als Kontrast zum Judentum. Dabei greift man auf eine historisch fragwürdige Konstruktion zurück: Die Juden hätten den „Heiland“ getötet. Kein Zweifel, Jesus hat kontroverse Diskussionen im frommen israelitischen Milieu ausgelöst, aber getötet haben ihn – mit Verlaub – die Römer. Nur die kreuzigten, und zwar politisch unliebsame Gestalten. Im Glaubensbekenntnis sagt man es offen: „gelitten unter Pontius Pilatus“, aber der christliche Antisemitismus behauptet seit dem Mittelalter die Alleinschuld der Juden und begründet damit ihre Auslöschung als religiöse Gruppe. Die unselige neutestamentliche Formulierung, dass der Autor, den man Matthäus nennt, dort „die Juden“ schreien lässt „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“, hat ein Übriges zur Ausbreitung des Antisemitismus beigetragen. Dass die Muslime, die auch in dem uns näher liegenden Osten ihren Ursprung haben, weder der jüdischen noch der christlichen besondere Zuneigung entgegenbrachten und -bringen, lässt sich schon daran ablesen, dass sie den ganzen Mittelmeerraum militärisch vereinnahmten und religiös dominierten. Wie nahe der „Nahe Osten“ uns liegt, wird derzeit auch dem Letzten klar.

Kategorien
Gesellschaft Kirche

Tiefer Abgrund

Was in den Tiefen der Vergangenheit des bischöflichen Ordinariats in Freiburg verborgen ist und nun allmählich ans Licht kommt, stimmt traurig und macht zornig. Nicht nur, dass viele Kinder, vor allem Knaben, unter Priestern und Ordensleuten furchtbar zu leiden hatten, es war auch gang und gäbe, die Taten zu vertuschen und die Übeltäter der Rechtsverfolgung zu entziehen. Warum das? Weil das „Wohl der Kirche“ bzw. ihr „Image“ wichtiger war (oder ist?) als die Bestrafung der Täter und die Wiedergutmachung an die Opfer. Der Gedanke, dass Erzbischöfe das Recht gebeugt haben, macht gruseln. Dass sie jemals zur Rechenschaft gezogen werden, ist unwahrscheinlich. Ihre Kirche schützt sie auf Teufel komm raus. Jetzt rächt sich, dass man den Religionsgemeinschaften ein eigenes Disziplinarrecht zugebilligt hat. Sie können sich der staatlichen Gerichtsbarkeit entziehen – ein Unrechtssystem im Rechtsstaat. Das ist nicht nur ein Skandal, der auch unsere Demokratie beschädigt, es ist auch der Niedergang einer Institution, deren Aufgabe es einst war, über unser Wertesystem zu wachen, der Politik und ihren Akteuren auf die Finger zu sehen und der Bevölkerung den Weg durch die Krise unserer Zeit zu weisen. Nun hat sich die Sache umgekehrt: Man muss der Kirche, den Kirchen auf die Finger sehen.