So ganz ein Krieg nach dem Geschmack der Wagenknechts und Käßmanns: Einer greift an und erklärt nach ein paar Tagen seine Mission für beendet, denn der Feind hat darauf verzichtet, sich zu wehren – chancenlos wie er war. Niemand hat Waffen geliefert. Das müsste nicht nur Sarah und Margot freuen. Es sind ein paar Hundert Menschen umgekommen oder verletzt worden, leider, aber das Blutvergießen fand bald ein Ende. Die Schutzmacht der Armenier (Russland) hat sich zurückgehalten, man ist anderweitig militärisch beschäftigt. Die Türkei, der andere Nachbar, ist in ihrer Geschichte noch nie auf die Idee gekommen, den Armeniern zu helfen. Sie unterstützt lieber das reiche Aserbeidschan. In den Medien wurde über den Konflikt mit vornehmer Zurückhaltung berichtet. Bergkarabach gehöre völkerrechtlich zum Ölstaat, wurde uns mitgeteilt. Aber warum auf dem Hochland 120000 Armenier leben und sehr viel weniger Aserbeidschaner, will keiner erklären. Beide Staaten stammen aus der Konkursmasse der Sowjetunion und gehören damit langfristig zum russischen Reich. So jedenfalls wird es Putin sehen. Irgendwie lässt das den wertebewussten Westen kalt. Wahrscheinlich will man sich nicht noch einen Konflikt aufhalsen. Sollen die im Kaukasus doch sehen, wo sie bleiben. In Deutschland hört man schon lange nichts mehr über die passive Unterstützung des türkischen Genozids an den Armeniern vor rund hundert Jahren. Warum auch? Man will ja auch nichts mehr davon wissen, dass man die Ukraine vor 80 Jahren erobert hat. Wozu geschichtlich denken und daraus eine Verantwortung für die Gegenwart ableiten?
Kategorie: Geschichte
Ukrainische Geschichte
Wer den Krieg in der Ukraine verstehen will, muss seine Vorgeschichte kennen. Der Harvard-Professor Serhii Plokhy erzählt in „Das Tor Europas. Die Geschichte der Ukraine“ (2023) die Historie seines Landes kenntnisreich und ohne Schönfärberei. Dabei holt er weit aus. Wir erfahren, was zur Zeit der Griechen, Perser und Römer im Land zwischen Donau und Dnipro geschah, welche Rolle das oströmische Byzanz spielte, wie die Mongolen herrschten und wie das erste ukrainische Reich zustande kam, das die Kosaken schufen. Kyjiw (Kiew) war lange vor Moskau ein Macht- und Kulturzentrum. Als dann die russische Hauptstadt erstarkte, begann der jahrhundertelange Zwist zwischen dem Zarenreich und der Ukraine. Im 19. Jahrhundert gab es dort wie im übrigen Europa eine nationale Bewegung. Bedrückend sind die Ereignisse des 20. Jahrhunderts. Stalin baute seine Industrie auf Kosten der ukrainischen Bauern auf. Das von den Russen noch immer geleugnete Aushungern (der Holodomor) in den 1930er Jahren kostete Millionen Menschen das Leben. Zehn Jahre später setzte das NS-Regime dem Land brutal zu. Über zwei Millionen Menschen wurden in den 1940er Jahren als Zwangsarbeiter ins Deutsche Reich verschleppt – mehr als wir derzeit Flüchtlinge von dort haben. Nach 1990 brach die Sowjetunion zusammen. Die Ukraine wurde ein selbstständiger Staat. Plokhy erzählt von dessen gewaltigen Problemen, der stagnierenden Wirtschaft, der Korruption. Dazu kommt von Anfang an die ständige Bedrohung durch Russland, dessen heutiger Präsident als wiedererstandener Zar das Land im Westen „zurückhaben“ will – mit fadenscheinigen Begründungen. Doch die Mehrheit der Menschen in der Ukraine, betont Plokhy, will nicht von den Russen besetzt und ausgebeutet werden. Sie orientiert sich nach Westen, nach Europa. Ist das Land dort willkommen?
Ungelieferte Panzer
Der Verfasser bekennt, dass er nichts von Panzern versteht. Er hat auch nicht „gedient“ und erfüllt somit nicht einmal die Mindestvoraussetzungen für die militärischen Diskurse, die wir seit Monaten führen. Was er verstanden hat: Deutschland ist der Meinung, dass der russische Einmarsch in der Ukraine keinen Erfolg haben soll. Gegen einen solchen Einmarsch kann man mit Diplomatie offenbar wenig ausrichten. Vor dem 24. Februar 2022 hat man in dieser Hinsicht viel versucht. Es gab viele Besuche in Moskau. Auch Kanzler Scholz war dort, wenige Tage vor der russischen „Spezialoperation“. Auch ihm ist es nicht gelungen, den amtierenden Kreml-Herrscher von seinen Plänen abzubringen. Nach dem Beginn des Krieges war er – und offenbar waren es auch viele im Westen, möglicherweise einschließlich Scholz – der Meinung, er werde nur kurz dauern. Es ist anders gekommen. Offenbar ist die Ukraine militärisch nicht so unbedarft, wie wir das gedacht haben. Also hat man das „heimliche“ Kriegsziel – Russland verleibt sich die Ukraine ein – korrigiert. Nun heißt es: Russland darf den Krieg nicht gewinnen. Wir werden die Ukraine mit Waffen unterstützen, damit das nicht passiert. Zuerst haben wir dem Land Stahlhelme angeboten. Aber es hat sich gezeigt, dass man damit nur wenig im Krieg ausrichten kann. Dann haben wir uns durchgerungen, Munition zu liefern, schließlich sogar „kleine“ Panzer. Nun will die Ukraine „Kampfpanzer“, also den Leoparden, der unter dieser Rubrik läuft. Scholz lehnt das ab. Soll man sagen: bisher? Verzweifelt sucht der Neue im Verteidigungsministerium nach Ausflüchten, um nicht das tun zu müssen, was viele Verbündete im Westen fordern: liefern zu müssen. Er will erst einmal wissen, wie viele Leoparden wir haben. Interessant, dass der beklagenswerte Zustand der Bundeswehr schon beim Zählen beginnt. Das macht man offensichtlich nicht ständig. Was will Scholz? Den Frieden? Den wollen wir alle. Aber wie soll er kommen? Soll die Ukraine militärisch unterliegen? Interessant, dass wir offenbar aus dem 2. Weltkrieg nichts gelernt haben oder vielleicht doch? Damals haben die Sowjetunion und das Deutsche Reich die Ukraine schon einmal besiegt.