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Nationalistischer Protest

Die einen sind tief besorgt, die anderen reiben sich die Hände. Die Wahlergebnisse von Sachsen und Thüringen bedeuten eine Wende in der deutschen Nachkriegspolitik. Im Land des KZs Buchenwald erringt eine Partei die Mehrheit, die mit der nationalsozialistischen Geschichte Deutschlands gnädig umgehen will. Es war ja „alles gar nicht so schlimm“ damals, die anderen waren „auch nicht besser“, es ist an der Zeit, das Thema zu den Akten zu legen, vor allem in den Schulen. Manche trösten sich, dieses Drittel der Wähler wolle halt gegen „die Ampel“ protestieren, im Grunde seien es liebe Menschen, die sich „nur etwas abgehängt“ fühlten. Halt „Verlierer der Wende“ oder dergleichen. Dass die DDR ein marodes, autoritär regiertes Staatswesen war, in dem eine Million Menschen damit beschäftigt war, die anderen zu bespitzeln, dass sie ein Teil des sowjetischen Imperiums war, das an seiner Unfähigkeit, sich zu modernisieren zugrunde ging – das sieht man in den „östlichen Ländern“ heute offenbar in einem verklärten Licht. Gewiss, bei der Einigung ging damals einiges schief, aber immerhin landete und landet seit 1991 ein großer Teil der 300 Milliarden Euro Solidarzuschlag im Osten und ermöglichte eine rasche Modernisierung der Infrastruktur. Aber das darf man nicht mehr laut sagen, denn wir im Westen sind an der Misere des Ostens schuld. Daher wählt man dort jetzt mehrheitlich eine faschistische Partei oder eine, die von einer Kommunistin geführt wird. Wenn die „drüben“ wirklich wieder so regiert werden wollen wie zwischen 1933 und 45 bzw. zwischen 1945 und 1990, dann sollte man ihnen diesen Herzenswunsch erfüllen. Nicht nur Orban würde es freuen. Und jene, die sich jetzt die Hände reiben, könnten endlich „die Sache“ in die Hand nehmen. Aber bitte verschont uns hier damit!

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Großer Krieg

Da Kriege anscheinend wieder selbstverständlich sind, liegt es nahe, einen Blick auf den Ersten Weltkrieg zu werfen: Was waren seine Ursachen? Welche Ziele wurden verfolgt? Wie wurde er finanziert? Wie viele Menschenleben kostete er? Welche Rolle spielten die Verantwortlichen? Herfried Münkler hat in seinem umfangreichen Buch über den „Großen Krieg. Die Welt von 1914 bis 1918“ detailliert beschrieben, was zum Ersten Weltkrieg“ geführt hat. Er geißelt das Versagen der europäischen Politiker nach der Ermordung des habsburgischen Thronfolgers. Mit mehr Weitblick hätte der Konflikt vermieden werden können. Auch wäre ein früheres Ende möglich gewesen, wenn nicht nationalistische Scharfmacher das Sagen gehabt hätten. In Deutschland gab es keine Einigkeit über die Kriegsziele: Ausdehnung nach Osten, Schwächung der Briten, Solidarität mit Österreich-Ungarn? Versagt haben damals viele: Kaiser Wilhelm II., der sich meist von kurzfristigen Emotionen leiten ließ, Reichskanzler Bethmann-Hollweg, der es nicht wagte, sich den Militärs entgegenzustellen, die „Oberste Heeresleitung“ (Hindenburg und Ludendorff), die sich den militärischen Realitäten verweigerten, der Reichstag, der endlose Debatten führte, ohne sich zu einigen. Die Bevölkerung ließ das jahrelange Hungern allzu geduldig über sich ergehen. Spätestens nach dem Kriegseintritt der USA, einer Folge des von Deutschland ausgerufenen militärisch sinnlosen „uneingeschränkten U-Boot-Krieges“, gab es keine Zweifel mehr, dass die Mittelmächte (Deutschland, Österreich-Ungarn, Bulgarien, das Osmanische Reich) unterliegen würden. Doch kaum jemand hatte den Mut, sich für ein Ende des Konflikts einzusetzen. Der „Große Krieg“ hat 17 Millionen Menschenleben gekostet und die europäischen Staaten ruiniert. Weltreiche sind zusammengebrochen: Russland, Österreich-Ungarn, das Osmanische Reich. Münkler zeigt, welche Folgen der Erste Weltkrieg bis heute hat. So gehen zum Beispiel die Brandherde im Nahen Osten auf ungelöste Fragen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs zurück. Nach der Lektüre blickt man skeptisch auf die Gegenwart. Den Imperialisten von heute sind die Erfahrungen von 1918 offensichtlich keine Lehre.

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Naher Osten

Warum sagen wir so? Nicht nur, weil „Kleinasien“ (dürfen wir das noch sagen?) näher liegt als Süd-Ost-Asien, sondern weil dort die religiösen Quellen flossen, die unser Wertesystem (derzeit noch) speisen. Über die jüdische Religion wurden uns die „Zehn Gebote“ vermittelt und der Gedanke eines Friedensreiches – mit Zion im Zentrum. Auch wenn im „Alten“ Testament, das eigentlich „Erstes“ heißen sollte, denn „alt“ suggeriert „veraltet“, auch wenn dort von viele Kriegen erzählt, so bricht doch immer wieder die Sehnsucht nach Frieden durch. Schwerter sollen zu Pflugscharen werden, heißt es beim Propheten Micha. Der Satz hat lange Zeit die Friedensbewegung begleitet. Auch das Christentum stammt aus dem von uns aus gesehen „Nahen Osten“. Es versteht sich einerseits als „Vollendung“ der altbiblischen Hoffnungen, andererseits als Kontrast zum Judentum. Dabei greift man auf eine historisch fragwürdige Konstruktion zurück: Die Juden hätten den „Heiland“ getötet. Kein Zweifel, Jesus hat kontroverse Diskussionen im frommen israelitischen Milieu ausgelöst, aber getötet haben ihn – mit Verlaub – die Römer. Nur die kreuzigten, und zwar politisch unliebsame Gestalten. Im Glaubensbekenntnis sagt man es offen: „gelitten unter Pontius Pilatus“, aber der christliche Antisemitismus behauptet seit dem Mittelalter die Alleinschuld der Juden und begründet damit ihre Auslöschung als religiöse Gruppe. Die unselige neutestamentliche Formulierung, dass der Autor, den man Matthäus nennt, dort „die Juden“ schreien lässt „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“, hat ein Übriges zur Ausbreitung des Antisemitismus beigetragen. Dass die Muslime, die auch in dem uns näher liegenden Osten ihren Ursprung haben, weder der jüdischen noch der christlichen besondere Zuneigung entgegenbrachten und -bringen, lässt sich schon daran ablesen, dass sie den ganzen Mittelmeerraum militärisch vereinnahmten und religiös dominierten. Wie nahe der „Nahe Osten“ uns liegt, wird derzeit auch dem Letzten klar.