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Deutsch oder Hochdeutsch

Ob es viel nützt, wenn die baden-württembergische Werbeagentur, offenbar im Auftrag der Landesregierung, der deutschen Fußballmannschaft Erfolg beim Spiel um den dritten Platz wünscht? Wir werden es bald erfahren haben. Und ob es überhaupt sinnvoll ist, diese gewiss nicht ganz billige Anzeige in die Tageszeitungen zu setzen, zu „schalten“, wie man jetzt wohl sagt, das mögen andere, Befugtere entscheiden. Wofür haben wir schließlich eine Opposition? Klar ist, es geht bei der Anzeige gar nicht um den Fußball, es geht um Werbung fürs Ländle. Denn der Bundestrainer kommt aus ihm.

Die Schlagzeile bedient sich einer ausgelutschten Wendung, die ihren Anfang bei „Wir sind Papst“ genommen hat. Diesmal heißt es „Wir sind Trainer“. Sie wäre inhaltlich unsinnig, aber wenigstens grammatisch korrekt, wenn das Substantiv in der Mehrzahl (für Schüler: im Plural) stünde. Leider können wir das nicht erkennen: der Trainer, die Trainer – da gibt es keinen Unterschied. Aber das Wort muss wohl in der Einzahl (im Singular) stehen, in Anlehnung an das päpstliche Muster.

Das ist grammatisch nicht in Ordnung und soll es auch nicht sein. Denn der „Witz“ besteht darin, dass man durch eine „falsche“ Formulierung Aufmerksamkeit erregen will. Diese Idee ist allerdings etwas zwielichtig, wird doch weiter unten in der Anzeige behauptet, wir (in Baden-Württemberg) könnten alles außer Hochdeutsch. Die Anzeige suggeriert leider auch: Wir können nicht einmal das.

Nachtrag: Allen, die Häckerling nun ob seiner Humorlosigkeit tadeln wollen, seien darauf hingewiesen, dass er zwar auch unter der Hitze leidet, aber den Text nicht kämpferisch-hitzig meint, sondern schwäbisch-selbstironisch – das gibt es tatsächlich.

(Blog-Eintrag Nr. 197)

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Von Rau zu Schick

Einem Land, das sich in der Spitzengruppe der Bundesländer wähnt, vor allem im Hinblick auf sein Bildungswesen, war ein Minister mit der Note vier plus offenbar nicht mehr zuzumuten. Daher durfte Herr Rau gehen und Frau Schick Platz machen. Die soll es nun richten und Baden-Württemberg wieder im oberen Notenbereich etablieren. Dabei steht die Neue vor einer schwierigen Aufgabe; sie soll Kontinuität und Veränderung zugleich repräsentieren.

Ihr Ansatz leuchtet ein: keine neuen Reformen, dafür „mehr Zeit“ zur Stabilisierung des bisher Erreichten. Damit kommt sie denen entgegen, die geklagt haben: „Uns fehlt die Zeit, das Neue umzusetzen.“ Denen wird nun eine Ausrede abhanden kommen. Doch es gibt viele andere, denen die ganze Richtung nicht passt, die man schon unter Frau Schavan eingeschlagen hat: achtjähriges Gymnasium für alle, Zementierung des dreigliedrigen Schulwesens, Abkehr vom klassischen Unterrichtskonzept durch den Bildungsplan 2004, verpflichtende Evaluation der Schulen usw. Denen und deren hinhaltendem Widerstand gegen alle Veränderungen wird man mit dem Konzept „mehr Zeit“ nicht beikommen.

Es wird nun darum gehen, die geschenkte Zeit sinnvoll zu füllen, zum Beispiel mit einer (verpflichtenden) Fortbildung, die – auf der Grundlage des theoretischen Konzepts der Standard- und Kompetenzorientierung – ganz praktisch und praxisnah vermittelt, wie aus hehren pädagogischen Zielen ein lebendiger Unterricht werden kann. Oder zum Beispiel auch mit einer Informationspolitik, die den Erfordernissen der Nachhaltigkeit gerecht wird. Wird die eben erst gestartete „Qualitätsoffensive“ Bestand fortgesetzt? Man könnte sie noch einmal durchdenken. Es wird (nicht nur im Unterricht) zu viel gesagt, was zum einen Ohr rein und zum anderen rausgeht, und es wird zu viel glänzendes Papier bedruckt und verteilt, was anschließend glanzlos vergammelt. Man muss mit den Schulen, den Lehrern, den Eltern und Schülern mehr ins Gespräch kommen.

Die neue Ministerin, sie möge Erfolg haben; dafür gönne man ihr „mehr Zeit“.

(Blog-Eintrag Nr. 157)

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Über eine Bildungsoffensive 1

Tue Gutes und rede darüber. An dieser zwar unschwäbischen, aber dafür weltweit anerkannten Maxime orientiert sich auch das Kultusministerium Baden-Württemberg mit ihrer am 1. Februar 2010 eingeläuteten Informationskampagne. Das Wort „Offensive“ ist wahrscheinlich bewusst kriegerisch (oder sportlich?) gewählt. Man will aus der Defensive kommen, man fühlt sich im Rückstand und will wieder die Führung übernehmen. Die Opposition im Land ist gegen die Aktion, das war zu erwarten. Sie verwendet das Argument, dass sich durch Broschüren über die Schule an deren Beschaffenheit nichts ändere. Das erinnert an das einstige Anti-Pisa-Argument, dass eine Sau durch Wiegen nicht fetter werde. Man könnte ergänzen: Auch Fieber sinkt nicht, wenn man es misst. Oder: Wahlprogramme werden durch Wahlbroschüren nicht besser. Magere Argumente.

Häckerling wird die Aktion der Rau-Administration kritisch begleiten. Die „Qualitätsoffensive“ ist es wert, dass man sie unter die Lupe nimmt und die dabei sichtbare Spreu vom nährenden Weizen trennt.

Die Informationen sollen auf mehreren Ebenen ankommen. Es gibt Veranstaltungen, Broschüren und eine eigene Internetseite. Diese Mehrkanaligkeit ist an sich sinnvoll, erhöht sie doch die Chance auf Wahrnehmung. Trotzdem kann man daran zweifeln, ob die Informationen ankommen und – vor allem – in den Köpfen haften. Wer nicht brav mitschreibt, vergisst das auf Veranstaltungen Gesagte rasch. Die Bilder der Präsentationen verblassen schnell. Aber man bekommt ja die Broschüren mit. Deren Schicksal kennen alle, die sie verteilen müssen. Sie werden, wenn es gut geht, irgendwo abgelegt, sie vergammeln in den Taschen der Schüler, denen sie ausgehändigt wurden, sie verstauben auf Tischen und Regalen. Gründlich gelesen werden sie selten, mehrfach schon gar nicht, obwohl sich nur dann ihr Inhalt einprägt. Bleibt die Homepage; aber wer schaut da regelmäßig rein?

Dabei geht es nicht ums bloße Lesen, sondern um die Auseinandersetzung mit den Themen der „Offensive“: die kleiner werdenden Klassen, das zahlenmäßig große Abitur 2012, der neue Unterricht, der dem nicht mehr so neuen Bildungsplan 2004 gemäß wäre, und der Umgang mit alten Problemen, zum Beispiel der Sprachförderung für Vorschul- und Grundschulkinder mit Migrationshintergrund oder der Übergang vom Kindergarten zur Grundschule.
(Blog-Eintrag Nr. 142)