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Datenuntaten

Es ist schon beeindruckend, mit welcher Eindeutigkeit das Bundesverfassungsgericht, die Judikative also, am 2.3.10 der Legislative, Regierung, Parlament und auch dem Bundespräsidenten, bescheinigt hat, dass sie ein fehlerhaftes Gesetz beschlossen haben. Die Datenspeicherung auf Vorrat wurde für nichtig erklärt. Die Exekutive hat nunmehr alle auf der Grundlage dieses nichtigen Gesetzes angesammelten Daten zu löschen. Wird sie es tun? Und wer wird prüfen, ob sie es getan hat?

Wenn unser Staat künftig Daten von Bürgern haben will, muss er strenge Auflagen beachten, zum Beispiel die Aspekte der Zweckgebundenheit, Verhältnismäßigkeit und Sicherheit. Man könnte sich über die Schlamperei beim Verfertigen von Gesetzen aufregen. Häckerling zieht es vor, sich über das Funktionieren des Systems der Gewaltenteilung zu freuen.

Vor dem Hintergrund dieser den Bürger vor unberechtigter staatlicher Ausspähung schützenden Entscheidung fragt man sich ganz nebenbei, ob der in Schwung gekommene Handel mit geklauten Daten über Personen, die mutmaßlich ein Steuervergehen begangen haben, rechtlich gesehen so unbedenklich ist, wie viele das meinen. Sammelt nicht auch hier der Staat Daten? Nein, er sammelt sie nicht einmal, er kauft sie von cleveren Informatikern, die in die Systeme Schweizer Banken eingedrungen sind und sie dort geholt haben. Genügt es zu sagen, dem Staat sei es erlaubt, so zu handeln, weil der Zweck (Steuerstraftaten auszudecken) die Mittel (der Kauf von ausgespähten Daten) heiligt?

Es geht dem Bundesverfassungsgericht nicht darum, Übeltäter zu schützen, aber es macht deutlich, dass die Jagd auf sie nach rechtsstaatlichen Regeln ablaufen muss. Wie wäre es mit einem Gesetz, das dem Staat erlaubt, den Kauf widerrechtlich erlangter Daten rechtlich unbedenklich vorzunehmen?

(Blog-Eintrag Nr. 159)

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Unbedenklich – Schüler als Mailer

Man kann die Eltern verstehen, wenn sie sich darum sorgen, dass ihre Kinder nicht dem Datenmissbrauch im Internet ausgeliefert werden. Daher ist es auch sinnvoll, wenn in der Realschule in Rutesheim über die Frage diskutiert wird, ob die Einrichtung einer kostenlosen Mail-Adresse zur Pflicht gemacht werden kann. (Stuttgarter Zeitung vom 22.10.09)
Jeder, der, wo auch immer, an elektronischen Aktionen teilnimmt, erzeugt Daten. Und die können immer zweckentfremdet benutzt werden, wenn sich die Verwalter der Daten nicht an die Gesetze halten. Das gilt für Firmen, die uns etwas verkaufen, für Banken und Sparkassen, Behörden und Vereine. Und auch für Schulen.

Rechtlich interessant ist die Frage, ob sich die Schüler weigern dürfen, wenn ihr Lehrer eine solche Teilnahme am Mailen verlangt. Berührt das die Intimsphäre, über die jeder selbst bestimmen kann? Ich denke schon. Im Prinzip kann die Schule auch ins Persönliche der Kinder eingreifen, denn sie hat nicht nur einen Bildungsauftrag, sondern soll auch erziehen. Daher kann man von den Schülern die Abfassung eines Lebenslaufs, das Schreiben von Briefen oder Gedichten und die Kundgabe einer Meinung verlangen. Diese Äußerungen verbleiben allerdings im engen Rahmen der Klasse und ihrer Lehrerinnen und Lehrer. Eine persönliche Adresse, die man einer Firma für den Versand kostenloser E-Mails mitteilt, verlässt den schulischen Rahmen. Unterstellt man diesen Firmen, dass sie grundsätzlich ihren Profit über den zugesicherten vertrauensvollen und dem Gesetz gemäßen Umgang mit Daten stellen, kann nur absolute Abstinenz bei der Bekanntgabe persönlicher Daten helfen.

Wollen wir den Kindern dieses Bild vermitteln und sie im Geiste abgrundtiefen Misstrauens erziehen? Die Schule soll aufs wirkliche Leben vorbereiten. Das kann sie glaubhaft nur, wenn sie keine Berührungsängste mit der realen Welt kultiviert. Sonst nutzt sich das „so tun als ob“ bald ab und es stellt sich eine pädagogisch tödliche graue Langeweile ein.

Was also sollen die Lehrkräfte tun? Den Eltern und Kindern zu Beginn des Schuljahrs ankündigen, was sie im Rahmen der (vorgeschriebenen) Medienerziehung vorhaben, Bedenken der Eltern anhören und ernst nehmen, den Schutz der Intimsphäre zusichern, auf die Einübung der informationellen Selbstbestimmung als Aufgabe der Schule hinweisen, aber auch für den „Mut zur Wirklichkeit“ plädieren. Wenn Schüler lernen, „richtige“ Mails zu schreiben, ist das nicht nur unbedenklich, sondern auch „etwas fürs Leben“, auf das Elternhaus und Schule sie vorbereiten sollen.