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Kirchenabbau

Wenn Höhergestellte sich zum gemeinen Volk herablassen, wollen sie die Wirklichkeit gern auf Hochglanzpapier sehen. Das galt einst für die Könige und ist heute so bei bedeutenden Ministern. Auch Prälaten, das sind in der evangelischen Kirche die Leiter von Prälaturen, also größeren Verwaltungseinheiten, auch die Prälaten stehen weit über uns gewöhnlichen Gläubigen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich bei Prälat Roses Erscheinen die evangelische Kirchenwelt in Böblingen und Sindelfingen im besten Licht zeigt. So jedenfalls steht es heute (29.3.17) in der Böblinger Kreiszeitung. Dass sich die Landeskirche Württemberg – immer noch säuberlich getrennt von der in Baden – allmählich in die Bedeutungslosigkeit auflöst, wird ausgeblendet. Und dass die gut bezahlte Kirchenleitung keine Konzepte gegen die Austritte hat, verschweigt man gerne. Eine Werbekampagne mit Luther ist zwar ein Hype, aber kein Ersatz für ausbleibende Reformen. Dem Vernehmen nach will sich die Kirche erneuern. Händeringend sucht sie nach einem neuen Luther. Aber wenn er käme, wehe, er würde die erstarrten Strukturen in Frage stellen. Dazu passt, dass nur eines klappt in dieser Kirche, der Stellenabbau. Gemeinden ohne Pfarrer werden bald keine Gemeinden mehr sein. Ich sehe den Tag kommen, an dem wir uns sonntags gemeinsam vor dem Fernsehgerät versammeln, um auf dem Bildschirm Gottesdienst zu erleben. – darf man da noch „feiern“ sagen? Die Stippvisite eines Prälaten wird diese Entwicklung nicht bremsen.

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Kirchenlichter

Die evangelische württembergische Landeskirche will ihr Licht nicht auf den Scheffel stellen, obwohl sie das mit biblischem Segen tun könnte. Die rote Laterne ist ihr offenbar lieber. Die teilt sie sich mit Sachsen in der Frage des Umgangs mit gleichgeschlechtlichen Paaren. Mit denen will sie nämlich keinen Umgang pflegen. Deren Ansinnen, Pfarrer möchten doch ihren Bund segnen, löst bei der Kirchenleitung heftigen Abscheu aus. Als der Böblinger Dekan einem solchen Wunsch entsprach und ein Paar segnete, muss das den Kirchenoberen zu Ohren gekommen sein. Menschen, die ihnen solche Nachrichten zukommen lassen, gibt es offenbar zu Hauf. Die Folge: Der Dekan wird nach Stuttgart zum Oberkirchenrat zitiert, muss seine Schuld bekennen, Abbitte tun und geloben, derlei Sünden hinfort nicht mehr zu begehen. Eine Meisterleistung der Kirchenleitung. Sie hat sich mutig gegen das ganze Homo-Unwesen gewandt und die reine Lehre beschützt. Die nimmt sie aus der Heiligen Schrift. Dort, Gott sei’ geklagt, wird tatsächlich alles Homosexuelle heftig gegeißelt. Die Männer von Sodom könnten ein Lied davon singen, wenn sie noch unter den Lebenden wären. Auch Onan wird bekanntlich für seine böse Tat mit dem Tode bestraft. Auf die Idee, die Zeitbedingtheit dieses lieblosen Umgangs mit „anderen“ Menschen anzuerkennen, ist man in dieser Landeskirche noch nicht gekommen. Es wird Zeit, dass sie das christliche Mittelalter hinter sich lässt.

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Kirchendistanz

Die Zeitungen haben, den Evangelischen Pressedienst zitierend, von einem wachsenden Bedeutungsverlust der protestantischen Kirche berichtet. 32 Prozent der zahlenden Mitglieder fühlen sich ihr nur „schwach verbunden“. Das scheint sogar bei den Kirchenleitungen zu einem fragenden Stirnrunzeln zu führen.

Als einer, der seit fast 72 (seit seiner Taufe halt) Mitglied der evangelischen Landeskirche Württembergs ist, die Badener leisten sich eine eigene, wundere ich mich nicht über dieses wachsende Desinteresse. Wenn man nicht ab und zu in den Gottesdienst ginge, würde man kaum etwas von dieser Kirche hören, und das nicht nur, weil ihr ein Medienstar wie der Papst fehlt. In den Medien kommt sie nur am Rande vor. Was sie zu sagen hat, scheint denen offenbar irrelevant.

Und die Predigt, das Kernstück des evangelischen Gottesdienstes? Sie sind – von den rühmlichen Ausnahmen, die es gibt, einmal abgesehen – entweder langweilig oder oberflächlich, naiv oder dumpf einseitig und vor allem: sprachlich ohne Glanz. Es gelingt darin nur selten, das biblische Wort für die heutige zum Leuchten zu bringen. Die Texte sind weit weg von der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Die christliche Botschaft wird brav abgeliefert. Man fragt sich manchmal, ob diese Art der „Vorlesung“ im 21. Jahrhundert noch angesagt ist.

Ein besonders trübes Kapitel ist die Ausdünnung der Pfarrstellen. Wenn ein Geistlicher geht, bleibt seine Stelle lange unbesetzt oder sie wird einfach gestrichen. Das nennt man Sparen. Aber es ist der Untergang vieler Gemeinden.

Noch trübere Erfahrungen habe ich mit der kirchlichen Verwaltung gemacht. Die obere hat keine Zeit, die untere Verwaltung leidet an Kompetenzdefekten. Fragen werden nicht beantwortet, E-Mails bleiben ohne Reaktion, Listen sind falsch geführt, Informationen unzulänglich, die Internet-Auftritte sind veraltet oder funktionieren nicht. Trostlos – und dabei soll die Kirche eine Quelle des Trostes sein.