Kategorien
Politik

Die Kirchen und ihr Personal

Es geht rund in der evangelischen Kirchengemeinde Sindelfingen. Die regionale Zeitung hat (am 21.6.12) mitgeteilt, dass im Laufe dieses Jahres fünf ihrer Pfarrer in den Ruhestand gehen oder sich auf eine andere Stelle versetzen lassen. „Auszug der evangelischen Pfarrer“ nennt es die Zeitung. Das ist ärgerlich genug. Wenn man dann noch lesen muss, das sei „reiner Zufall“, steigert sich der Ärger um einiges. Und wenn die diversen Wechsel dazu genutzt werden, Stellen zu streichen oder zu halbieren, möchte man dieser Kirche am liebsten wütend Valet sagen. Wozu leisten sich die Evangelischen hierzulande einen bürokratischen Wasserkopf namens Oberkirchenrat, wenn der es nicht schafft, den durchaus üblichen Personalwechsel in gleitendem Übergang abzuwickeln? Wozu brauchen wir eine hoch dotierte kirchliche Administration, wenn die nur den Zufall regieren lässt? Was ist das für eine Kirche, die ständig Pfarrstellen abbaut, aber an der eigenen Verwaltungspräsenz nicht rüttelt?

Die Übergangszeit wird ausgesprochen ärmlich organisiert. Die Pfarrerin der Christuskirche soll ganz nebenbei den wegfallenden Kollegen vom Hinterweil vertreten und natürlich noch in der ganzen Stadt aushelfen. Das neue Pfarrerehepaar in der Johanneskirche, wenn es denn kommt, muss sich erst einarbeiten, der Pfarrerin vom Eichholz verweigert man hartnäckig die Aufstockung ihrer halben Stelle und nimmt dafür billigend in Kauf, dass sie in dieser dramatischen Lage „nur begrenzt helfen“ kann. Die ins Auge gefasste neue Pfarrerin der Martinskirche soll und wird hoffentlich im Herbst anfangen. Sie muss sich ganz schnell einarbeiten, denn auch sie darf zwei Stellen gleichzeitig bedienen. Wird ihr dazu die Versorgung der vakanten Stelle auf dem Goldberg aufgedrückt? Dem treuen Kirchensteuerzahler graust es ob dieser Zukunftsperspektiven.

Kategorien
Politik

Die Protestanten und ihre Kirchenleitung

Man kann aus dem Mund der Führer unserer evangelischen Kirchen nicht nur sonntags viele schöne Wort hören – über die Integration z. B. und wie wichtig sie sei und was man alles tun müsste, um sie gelingen zu lassen, und wie doch so viele Institutionen versagen: die Parteien, die Schulen, die Medien.

Jetzt hat die evangelische Kirche von Württemberg selbst versagt. Einer Vikarin, die sich mit einem Muslim aus Bangladesh ehelich verbunden hat, wurde gekündigt. Sie darf ihre Ausbildung nicht fortsetzen. So streng war nicht einmal die Schulverwaltung im Fall der Kopftuchträgerin Fereshta Ludi. Sie durfte wenigstens ihr Referendariat (die Voraussetzung zur Ausübung des Lehrerberufs) zum Abschluss bringen.

Und wie begründet man diesen brutalen Schritt, dieses Berufsverbot? Der Partner einer Pfarrerin muss ein Christ sein, damit er versteht, was sie da so tut, und sie in ihrem schweren Beruf moralisch und geistlich begleiten kann. Dieses Argument lässt sich ausbauen: Lehrerinnen sollten nur Lehrer heiraten, Bänkerinnen nur Bänker, Sozialarbeiterinnen nur Sozialarbeiter, dann ist die seelisch-moralische Begleitung auch in diesen schwierigen Berufen gesichert. Vielleicht ein Beitrag zur Verringerung der Burn-out- Fälle?

Die Leitung der evangelischen Kirche in Württemberg täte gut daran, ihre merkwürdigen betriebsinternen „Regeln“ dem europäischen Recht anzupassen.

Noch etwas: Die entlassene Vikarin hat den gleichen Familiennamen wie der Schreiber dieses Blogs. Zwischen den beiden besteht aber keinerlei Verwandtschaft.

Kategorien
Politik

Überfällig – evangelische Kirchenreform

Die beiden großen christlichen Kirchen klagen über die hohe Zahl der Austritte. Bald kann man nicht mehr von „Volkskirchen“ reden. Deren Zeit scheint, wie auch die der „Volksparteien“, vorbei. Zu sein. Ein unumkehrbarer Trend? Eine unausweichliche Entwicklung? Ein unabwendbares Schicksal? Warum verlassen die religionsmündigen (über 14 Jahre alten) Bürger „ihre“ Kirche? Sie empfinden sie offenbar nicht mehr als ihre. Warum nicht?

Gerne wird auf die ökonomische Seite verwiesen. Die Kirchensteuer ist nicht gerade niedrig; sie wird automatisch vom Gehalt abgezogen. Das Geld fehlt. Wer kurzarbeitet, merkt das. Neuerdings werden bei Kapitalerträgen nicht nur die Abgeltungssteuer und der Solidarzuschlag, sondern auch die Kirchensteuer gleich mit abgebucht. Dagegen kann man sich nur schützen, wenn man seinen Austritt aus der Kirche erklärt.

Aber die Geldfrage erklärt nicht alles. Auch nicht die ebenfalls das Ökonomische berührende Frage nach dem Verhältnis von Preis und Leistung. Was zahle ich, was bekomme ich dafür? Wer nicht arm ist und einer kirchlichen Einrichtung sein Leben verdankt, nicht in den Gottesdienst geht, nicht heiratet und keine Kinder taufen lässt, bekommt so gut wie nichts zurück, außer der kirchlichen Bestattung am Ende seiner Tage.

Ich behaupte, man geht aus der Kirche, weil man nichts mehr von ihr erwartet. Die protestantische Kirche ist in ihrer gepflegten Routine, ihrer starren Struktur und ihrer langweiligen Außendarstellung nicht attraktiv. Sie spricht die Menschen nicht an – in doppelter Hinsicht. Sie äußert sich kaum oder unverständlich; ihre Botschaft, das Besondere, was sie zu verkündigen hat, bleibt oft in überkommenen Formeln stecken. Sie weist keine Wege oder ihre Wegweisung wird nicht wahrgenommen.

Heute allerdings (2.12.09) lese ich, dass der evangelische Dekan von Böblingen an der gestrigen Demonstration der Sindelfinger Daimler-Mitarbeiter teilgenommen, dort gesprochen und dafür auch Beifall bekommen hat. Es geht also auch anders.
(Blog-Eintrag Nr. 116)