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Grün-Rot und die Junglehrer

Das Schiff der baden-württembergischen Schulpolitik ist in Seenot geraten. Die Kapitänin Warminski-Leitheußer versucht tapfer, den schlingernden Dampfer auf Kurs zu halten. Aber auf welchem? Die Stürme kommen aus wechselnden Richtungen. Da tut man sich schwer. Soll man beidrehen oder ankern, genügt es, Dampf abzulassen oder ist es gar schon Zeit, die Rettungsboote bereitzustellen?

Grün-Rot will im Schulbereich zu viel auf einmal, zuvörderst die Gemeinschaftsschule. Wenn sie gelingen soll, wird es teuer. Man braucht für sie mehr und anders ausgebildete Lehrer, mehr und andere Räume, neue Ideen, starkes Engagement, Mut, Geduld und Ungeduld. Was aber will man in Stuttgart statt dessen tun? Den Junglehrern das Gehalt kürzen. Die haben ein mehrjähriges Studium hinter sich und einen eineinhalbjährigen Vorbereitungsdienst, sind also 26, 27 Jahre alt, ehe sie einen „richtigen“ Arbeitsplatz bekommen und „normal“ Geld verdienen können. Hinzu kommt, dass sie in der Regel mit einem Teil-Lehrauftrag beginnen. Man braucht wenig Fantasie, um zu erkennen, dass diesen fast dreißig Jahre alten Menschen ein Netto-Einkommen bleibt, das weder für eine Familie noch für eine ordentliche Wohnung reicht.

Aber das Problem ist noch größer. Die meisten fertig ausgebildeten Junglehrer bekommen gar keine Stelle, denn sie werden zum Opfer des Schuldenabbaus in Gestalt des Abbaus von Lehrerstellen. Der „Abbau“ erfolgt nämlich nicht in der Weise, dass man Ältere entlässt, was gar nicht geht, sondern dass man keine Junglehrer einstellt.

Damit fehlen den Schulen, der Gemeinschaftsschule zumal, genau jene, die es mit ihren Ideen, ihrem Engagement, ihrem Mut und ihrer Ungeduld schaffen könnten, der neuen Schule zum Erfolg zu verhelfen.

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Bosch und der Systemwechsel

Nein, es geht nicht um die Firma Bosch. Hoffentlich merkt Google das. Es geht um den einstigen Schulrebellen von Ravensburg in Oberschwaben, den Intimfeind des letzten CDU-Kultusministers Rau, Rudolf Bosch. Den hat die grün-rote Regierung zuerst in die Machtzentrale nach Stuttgart gerufen und nun ins Regierungspräsidium nach Freiburg geschickt. Im Breisgau ist er „Schulpräsident“ geworden, Chef der südbadischen Schulverwaltung und ihrer Lehrerschaft. Persönlich sei es ihm gegönnt, politisch lässt es aufhorchen.

Wenn Rebellen zu Verwaltungsleitern werden, ist das ein deutliches Zeichen der Veränderung. Und in der Tat verändert sich das baden-württembergische Schulsystem rapide. Derzeit ist es noch sechszügig (Hauptschule bzw. Werkrealschule, Realschule, Sonderschule, Berufsschule, Gymnasium, Gemeinschaftsschule), bald werden die ersten drei Schularten in der Klammer verschwunden sein. Ohne den beruflichen Zweig wird es nur noch „zwei Säulen“ geben, die beiden in der Klammer zuletzt genannten Schularten. Bosch nennt es „Systemwechsel“ (Stuttgarter Zeitung vom 29.8.12). Man kann es auch eine Revolution nennen, das wäre ein dem Rebellen gemäßer Begriff.

Beide Säulen werden zum Abitur führen, die Gymnasien in acht oder neun, die Gemeinschaftsschule in neun Jahren. Da wird man sich bald fragen, warum es zur Erreichung dieses Zieles zweier Schularten bedarf. Dann wird man vorschlagen, die Gymnasien in Gemeinschaftsschulen umzuwandeln – was sie in manchen Städten faktisch schon sind. Und siehe da: Jene, die schon immer für die Einheitsschule waren, werden ihr Ziel erreicht haben. Und der Rebell Bosch wird sein gerüttelt Maß beigetragen haben. Die letzten Sätze stehen noch im Futur II. Irgendwann kann man sie ins Präsens setzen.

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Die Hauptschule und ihr Ende

Was man doch mit einem einzigen Satz bewirken kann: Die baden-württembergische Regierung will das Schulsystem des Landes gründlich ändern. Abgeschafft werden sollen die Hauptschule und die Werkrealschule, entstehen sollen Gemeinschaftsschulen mit einem ganz neuen Unterrichtskonzept. Bereits innerhalb eines Jahres ist man diesem Ziel deutlich näher gekommen. Dazu bedurfte es nur einer kleinen Ergänzung beim Aufnahmeverfahren in die weiterführenden Schulen: Die Grundschulempfehlung, die es weiterhin gibt, musste bei der diesjährigen Anmeldung nicht mehr vorgelegt werden.

Die Folge war abzusehen und stellte sich auch ein: Nur noch wenige Kinder werden künftig nach dem Wunsch der Eltern in die Hauptschule gehen. Sie wurden an den Realschulen und Gymnasien und an Privatschulen angemeldet. Die haben enormen Zulauf. In Stuttgart dürfte sich die Zahl der Hauptschulklassen im neuen Schuljahr halbieren. In Sindelfingen ist die Lage ähnlich. Dort steht die erste Hauptschule vor dem Aus. Die Stuttgarter Zeitung leitet ihren Artikel „Die Hauptschulen bluten aus“ (12.6.12) mit folgendem Satz ein: „Der Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung hat drastische Folgen für die Bildungslandschaft“.

Nun hat die Kultusministerin ein Problem: Bleibt die Versetzungsordnung, wie sie ist, werden mehr Kinder als bisher wegen unzulänglicher Leistungen die Gymnasien und Realschulen nach der 6., 7. oder 8. Klasse verlassen müssen. Das wird Ärger geben. Den kann man nur dadurch vermeiden, dass man die unzulänglichen Lernleistungen der Schüler als Folge unzulänglicher Lehrleistungen der betreffenden Schulen interpretiert.