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Das Gymnasium und seine doppelte Geschwindigkeit

Im achtjährigen Gymnasium … wollen wir die Schülerinnen und Schüler in der Unter- und Mittelstufe entlasten. Gleichzeitig wollen wir den Gymnasien die Möglichkeit geben, auf Wunsch der Schulkonferenz und auf Antrag des jeweiligen Schulträgers, zunächst als Schulversuch, zwei Geschwindigkeiten, also einen achtjährigen oder neunjährigen Zug, einzuführen. Grundlage hierfür ist der G 8-Bildungsplan. An den allgemein bildenden Gymnasien gibt es dann Wahlfreiheit zwischen zwei Geschwindigkeiten zum Abitur.

So steht es im Koalitionsvertrag von Grün-Rot in Baden Württemberg. Der nun ruchbar gewordenene Plan der neuen Kultusministerin – die Klassen 5 und 6 des Gymnasiums in zwei oder wahlweise in drei Jahren absolvieren zu dürfen – ist eher ein Witz denn die Einlösung dieses Wahlversprechens. Die versprochene doppelte Geschwindigkeit bliebe bliebe auf die Unterstufe begrenzt, die Mittelstufe außen vor.

Und was sollen die Kinder in diesen drei Jahren tun? Vorauslernen, zum Beispiel in der zweiten Fremdsprache, damit sie gegenüber den anderen, die schon nach zwei Jahren in die Klasse 7 kommen, noch eine Weile einen kleinen Vorsprung haben? Sollen die dann 13-jährigen G9-Kinder körperlich kräftiger sein als die erst 12-jährigen G8-Kinder und es damit leichter haben, denen eins auf die Mütze zu geben?

Die Frage, wie die „Parkklasse“ heißen soll, ist nicht trivial. Der Name 6/1 wurde schon angeboten. Aber anderes wäre auch möglich; meine Vorschläge: Klasse 568 oder G9P der GR (für Grün-Rot).

Wer solche Ideen gebiert, zeigt damit, wie wenig er vom Gymnasium versteht oder wie unwichtig es ihm ist.

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Nils Schmid und die Gymnasien

Unter der wunderbaren Überschrift „Wir können Bürger nicht nur beglücken“ drucken die Stuttgarter Nachrichten (am 9.4.11) ein Interview mit dem SPD-Vorsitzenden Nils Schmid ab. Darin äußert er sich auch zur Schulpolitik der Koalition, die demnächst in Baden-Württemberg regieren soll.

Was wir schon wussten: die Grundschulempfehlung wird abgeschafft, damit setzt man die Gymnasien und Realschulen unter Druck. Die Hauptschulen sollen sich zu zehnjährigen Gemeinschaftsschulen entwickeln, deshalb fällt auch die Notenhürde 3,0 zum Besuch der Werkrealschule weg. Durch längeres gemeinsames Lernen werden „Schulstandorte gesichert“ – allerdings andere Schulen ausgemerzt. Und dann kommt noch der verräterische Satz: „Wir werden die Gymnasien nicht einfach abschaffen.“

Diese Formulierung lädt zum Nachdenken ein. Ich verstehe ihn so: Wir, die SPD und die Grünen, wollen zwar keine Gymnasien mehr, sondern nur noch die Gemeinschaftsschulen, auf die eine dreijährige Oberstufe folgt, aber wir dekretieren das nicht einfach, sondern setzen darauf, dass es allmählich geschieht. Je mehr Gemeinschaftsschulen desto weniger Gymnasien, eine allmähliche Abschaffung also. Sie geschieht, dadurch, dass man so lange an den Rahmenbedingungen dreht, bis sich das Gymnasium von selbst erledigt. Auch die Wiedereinführung von G9 dient diesem Ziel, denn die Absolventen der Einheitsschule werden nach ihrem zehnjährigen „gemeinsamen Lernen“ mindestens drei Jahre brauchen, um so etwas wie ein Abitur zu schaffen.

Wer ein Herz für die Gymnasien hat, wird in der Tat zu den Bürgern gehören, die von der neuen Regierung nicht „beglückt“ werden.

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Pisa-Hausaufgaben

Das Gymnasium hat laut der neuen PISA-Studie 2009 sein Niveau in etwa gehalten. Das ist insofern eine Leistung, als der Anteil der Kinder, die diese Art von Schule besuchen, seit 2000 gestiegen ist. Wenig zufrieden kann man mit zwei Bereichen der gymnasialen Arbeit sein: bei der Lesefähigkeit, wo man offenbar stagniert, und bei der Förderung von besonders Begabten, wo man im internationalen Vergleich nur eine bescheidene Rolle spielt. Offenbar ist der Spagat zwischen dem Unterricht für die schwächeren Schüler, die es im Gymnasium auch gibt, und dem für die herausragenden ein Problem.

Im Interview mit der ZEIT (9.12.10) sagt dazu Prenzel, einer der deutschen PISA-Koordinatoren:

Es herrscht dort (im Gymnasium) ein Mangel an pädagogischer Kultur. Die Lehrer verfügen über großes Fachwissen, geben deshalb auch vergleichsweise guten Unterricht. Aber bei den Absprachen im Kollegium, dem differenzierenden Unterricht, der Zusammenarbeit mit den Eltern haben die Gymnasien großen Nachholbedarf.

Das wär’s in Kürze: Verstärkung der Pädagogik, innerschulische Zusammenarbeit, ein vielfältiges Menu statt unterrichtlichen Eintopfs und eine bessere Kommunikation mit den anderen wichtigen Trägern der Erziehung und Bildung, den Eltern.

Vielleicht kommt diese Botschaft nicht nur an, sondern wird auch beherzigt: von der Schulaufsicht, in den Schulen und bei der Lehrerbildung.

(Blog-Eintrag Nr. 237)