Kategorien
Politik

Gehörschreiben

Weil die baden-württembergischen Schulkinder auch bei der Rechtschreibung im Bundesvergleich schwächeln, hat die Kultusministerin ein Machtwort gesprochen. Künftig soll in der Grundschule das Schreiben nach Gehör unterbunden werden. Orthografische Fehler, die sich in den schriftlichen Äußerungen der Erst- und Zweitklässler zeigen, dürfen bisher nicht angestrichen werden. Pädagogisch ist das so zu verstehen, dass die Lehrerin ihrer Freude über die Schreibbereitschaft des Kindes dadurch Ausdruck verleiht, dass sie Merkwürdigkeiten (früher sagte man Fehler) nicht markiert. So kann das Kind also auch Feeler oder Feler oder Vehler schreiben, es ist ja völlig (föllich) klar, was es meint. Erst in der dritten Klasse soll behutsam das Regelwerk der deutschen Rechtschreibung ins Spiel kommen. Nun wusste man früher, dass die Rechtschreibung auch mit den Augen gelernt wird. Was man sieht, prägt sich ein. Wenn in einem Wort nichts angestrichen ist, heißt das: Es ist korrekt geschrieben. Was man früher auch noch wusste: Umlernen ist mühsam. Wortbilder, die man im Kopf hat, zu löschen und sie durch andere, angeblich richtige zu ersetzen, bereitet auch uns Älteren Mühe. Das Interessante in der schulpolitischen Debatte ist nun, dass sich die Gewerkschaft über die Ministerin aufregt. Ihre Begründung ist nicht etwa, die Frau irre, sondern sie habe Unrecht, weil sie sich gegen den pädagogischen Sachverstand der Lehrerinnenschaft stelle. Warum der bei diesem Problem Recht haben soll, verrät uns die GEW nicht. Die Methode des Schreibens nach Gehör war übrigens noch nie unumstritten.

Kategorien
Politik

Rechtschreibbrei

Angesichts der globalen Fluchtszenarien, des VW-Abgasbetrugs, der Krise in der Ukraine und was uns sonst noch beunruhigt, ist das Problem marginal. Typisch ist auch, dass sich ein Rentner damit beschäftigt. Die gelten in Zeitungskreisen als notorische Nörgler. Ja, es geht um Rechtschreibung. In der letzten Ausgabe von Sonntag Aktuell (20.9.15) steht in einer Kolumne zwei Mal das Wort „Griesbrei“ – in dieser falschen Schreibung. Einst lernten die Kinder „bloß ein bißchen Grieß“ als Beispiele für die Verwendung des sog. scharfen S. Inzwischen hat sich „bißchen“ zu „bisschen“ verändert, aus guten Gründen, denn das Wort hängt mit „Biss“ zusammen; es ist dessen Verkleinerungsform. „Biss“ hat innen ein kurzes (stimmloses) I; danach muss man das scharfe S als ss schreiben. Das ß markiert das stimmlose S nach langen Vokalen (bloß, Gruß, Straße). Wie kann es passieren, dass eine Journalistin, das nicht weiß? Sogar ihr Schreibprogramm hätte es ihr signalisieren müssen. Vielleicht hat sie an den Griesgram gedacht, jenen Misanthropen, der einem die Freude am Leben verdirbt. Mir verderben solche Fehler in renommierten Zeitungen die Freude an der Lektüre. Es führt mich zu der sattsam bekannten Forderung, in der Schule wieder mehr Augenmerk auf die deutsche Sprache und ihr Schreibungssystem zu richten.

Kategorien
Politik

Rechtschreibgemotze

Jetzt trauen sie sich wieder aus ihren Löchern, die ewigen Stänkerer gegen die Rechtschreibreform. SWR2, das Radioprogramm, das sich als Kultursender inszeniert, brachte am 13. Juli einen tendenziösen, von Sachkenntnis ziemlich freien Bericht aus Anlass des zehnjährigen Rechtschreibjubiläums. Da wurden die sattsam bekannten Arien gesungen: Wie schön es doch gewesen sei, als man noch „nach alter Weise“ schreiben durfte, wie schädlich sich die Reform „auf die deutsche Sprache“ ausgewirkt habe, wie leicht es früher für die Schüler war und wie schwierig und konfus es heute sei – derlei Unsinn muss man sich in diesen Tagen anhören. Wenn es nach diesen selbsternannten orthographischen Päpsten ginge, sollte man wohl alle Änderungen der letzten Jahrzehnte rückgängig machen, auch jene, die einst unseren Großeltern zu schaffen machten: Sofa statt Sopha, Keks statt Cakes, Büro statt Bureau usw. – lauter schlimme Neuerungen im 20. Jahrhundert. Die Liebe zum ß, dem „Dreierles-S“, feiert fröhliche Urständ. Das Volk wolle wieder „Fluß“ schreiben statt „Fluss“ und „Kuß“ statt „Kuss“. Dass es ein Fortschritt war, den deutlich hörbaren Unterschied zwischen „Fuß“ (lang gesprochenes u) und „Nuss“ (kurz gesprochenes u) in der Schreibung sichtbar zu machen, ein Fortschritt, der auch den Schülern das Leben erleichtert hat, will man nicht hören. Und dann der sinnlose Hinweis auf „daß“ und „das“. „Das“ war einst eine der häufigsten Fehlerquellen in der Schule und ist es wohl immer noch. Aber „das“ hängt nicht mit der Aussprache zusammen, darin unterscheiden sich beide Wörter nicht, obwohl „das“ manche Deutschlehrer nicht einsehen wollen. Es hat mit der syntaktischen Funktion dieser Wörter zu tun. Die Schreibung mit ss oder ß ist hier ein Randproblem. Es stimmt, „dass“ die Rechtschreibleistungen der Schüler (der Gesellschaft, behaupte ich) schlechter geworden sind. Aber „das“ liegt nicht an der Reform der Orthografie, sondern an den mangelhaften Kenntnissen der Schüler, die kaum mehr das korrekte Schreiben lernen, und damit an den Deutschlehrern, die sie ohne fundierte Ausbildung ins Leben schicken. Ich fordere: Tut endlich was, „dass“ wenigstens die Deutsch Unterrichtenden die Rechtschreibregeln kennen! Dann können sie sie auch vermitteln.