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Lehrerstatusspiele

Einen kleinen Aufreger hat die FDP in ihren Freudenstädter Leitantrag zur Bildungspolitik eingebaut. Am 9.10.10 wurde als Punkt 89 beschlossen:

„Bei der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern soll künftig ein stärkeres Gewicht auf der Beruflichkeit liegen. Die fachliche Komponente der Qualifikation sollte dabei separat verwendbar sein, z.B. auch zur Arbeit außerhalb der Schule befähigen. Umgekehrt muss auch in höherem Maße dafür gesorgt werden, dass fachlich ausgewiesenen Personen aus der Wirtschaft der Einstieg in den Lehrerberuf ermöglicht wird. Wir brauchen eine leistungsorientierte Bezahlung von Lehrern, eine höhere Flexibilität bei der Einstellung, auch Teilzeitlehrer und stundenweise Lehrbeauftragte. Bei der Einstellung von Lehrern gilt, dass künftig auf die Verbeamtung verzichtet werden soll.“

Neben dem schönen Wort „Beruflichkeit“, womit man wohl ausdrücken möchte, dass ausgebildete Lehrer auch in anderen Berufen verwendbar sein sollen (was sie schon sind), enthält der Abschnitt ein Plädoyer für Seiteneinsteiger aus der Wirtschaft (die gibt es, aber einfach ist es für sie nicht), für eine „leistungsorientierte Bezahlung“ (und wie soll die Leistung gemessen werden?), für „Flexibilität bei der Einstellung von Lehrern“ (einverstanden), also „Teilzeitlehrer“ (die gibt es reichlich) und „stundenweise Lehrbeauftragte“ (eine merkwürdige Formulierung) – und dann folgt das Hämmerchen: „dass künftig auf die Verbeamtung verzichtet werden soll“.

Und warum? Hier schweigt der Leitantrag beredt. Sind Angestellte billiger? Nein, sind sie nicht, allenfalls im Ruhestand. Sollen die Lehrer künftig streiken dürfen? Dann sagt es doch. Unterrichten Angestellte besser als Beamte? Wohl kaum. Warum dann diese Forderung?

Im Punkt 39 wird bemerkt, dass „Strukturdebatten … wenig hilfreich, meist sogar kontraproduktiv“ seien. Wenn das so ist, liebe FDP, dann lass doch lieber die Finger von dieser Debatte über den Lehrerstatus.

(Blog-Eintrag Nr. 220)

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Schule 21

Es gibt auch noch Themen außerhalb des Stuttgarter Bahnhofs, zum Beispiel die Schule. Die Liberalen haben sich am 9.10.10 in Freudenstadt mit der Bildungspolitik beschäftigt und ihre Vorstellungen in einen 29-seitigen, 158 Punkte umfassenden „Leitantrag“ gegossen. Der wurde, wie Sonntag Aktuell (10.10.10) zu entnehmen ist, einstimmig beschlossen. Was steht drin? Vieles, vor allem viel Selbstverständliches.

So lautet die Nummer 39 des Leitantrags: „Die Potenziale von Kindern und Jugendlichen müssen in einem guten Unterricht erschlossen werden. An erster Stelle der Schulentwicklung muss deshalb der Blick auf den Schüler und die Qualität des Unterrichts stehen; Strukturdebatten sind wenig hilfreich, meist sogar kontraproduktiv. Die konsequente Schaffung der Voraussetzungen für guten Unterricht, der die Entdeckung und Förderung von Talenten, Neigungen und Begabungen in den Vordergrund stellt, ist daher das Anliegen liberaler Schulpolitik.“

Die Ermöglichung von gutem Unterricht, die Entdeckung und Förderung der Begabungen („Potenziale“) der Kinder und Jugendlichen, Verzicht auf unnötige Strukturdebatten, wer möchte dem widersprechen? Aber was ist „guter“ Unterricht? Dazu steht in Punkt 41: „Die Förderung der vielfältigen individuellen Talente und Begabungen muss zum Schulprogramm erhoben werden. Lehrer müssen Schüler unterrichten – nicht Klassen. Schüler müssen nicht belehrt, sondern begleitet werden hin zu mehr eigenständigem, selbstverantwortetem Lernen. Differenzierende Unterrichtsmethoden müssen daher im Vordergrund stehen, um die Potenziale von Kindern und Jugendlichen zu erschließen.

Gut ist ein Unterricht also dann, wenn er Begabungen fördert, die Schüler nicht belehrt, sondern begleitet, damit sie eigenständig werden. Und in Nummer 44 wird ergänzt: „Im Mittelpunkt einer guten Schule steht der gut ausgebildete und gut motivierte Lehrer.“

Es soll also alles „gut“ werden in der Schule. Das will auch Häckerling. Aber er hätte sich die Beschreibung des Guten gerne etwas konkreter gewünscht.

(Blog-Eintrag Nr. 219)

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Probleme in der Schultüte

Schule hat begonnen. Das wird die Zahl der S-21-Protestler etwas reduzieren. Die Zeitungen meinen zwar, dieses Thema habe hierzulande die Schulfragen in den Hintergrund gedrängt, aber Verdrängtes drängt sich gerne wieder nach vorne. Es gibt nun mal ein paar drängende Probleme in der Schultüte: die Optimierung des achtjährigen Gymnasiums und das Doppelabitur 2012, die Implantierung der Werkrealschule und die Zukunft der Hauptschule, das „längere gemeinsame Lernen“ und die „Individualisierung des Unterrichts“, die Förderung der Sprachschwachen in der Schule und das Deutschlernen in der Kita. Diese Probleme werden in diesem Blog-Eintrag nicht gelöst, allenfalls genannt und ergänzt um den Hinweis, dass Häckerling darauf schon einige Male eingegangen ist.

Wir hatten in den Sommerferien eine laute Thilo-Sarrazin-Auseinandersetzung und eine leise Kirsten-Heisig-Debatte. Der eine redet vom Ende der deutschen Kultur, die andere schrieb ein Buch über das Ende der Geduld. Beide haben das gleiche Hintergrund-Thema: das Misslingen der Integration. Derzeit hören wir viele zwar-aber-Sätze: Zwar ist noch nicht alles gut in Sachen Integration, aber wir haben schon vieles erreicht. Zwar gibt es einige wenige Integrationsunwillige, aber schon sehr viele Integrierte. Zwar haben Jugendliche mit Migrationshintergrund Schwierigkeiten in der Schule, aber es gibt auch viele Beispiele erfolgreicher Migranten. Zwar haben wir noch einige „Hausaufgaben“ zu machen, aber wir sind „auf einem guten Weg“. Die deutsche Sprache bietet zwar wunderbare Möglichkeiten, mit Problemen fertig zu werden, aber mit der „Aber-Aussage“ können wir das Zwar nicht vergessen machen.

Und was helfen die großen Diskussionen den Lehrern, die sich nun wieder jeden Tag mit „integrationsunwilligen“ Kindern herumschlagen müssen, weil die keine Lust zum Lernen haben? So gut wie nichts. Statt die Lehrenden zu stärken, ihnen ganz konkrete Hilfen zu geben und sie von unsinnigen Aufgaben zu entlasten, lässt man sie mit den Forderungen und Problemen in der Schultüte allein.

(Blog-Eintrag Nr. 211)