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Stächeles Stachel

Dem baden-württembergischen Finanzminister obliegt es, das Geld des Landes zusammenzuhalten und möglichst zu mehren. Da ist es kein Wunder, wenn er seinen Blick mal wieder auf das Schulwesen gerichtet hat. Dabei ist ihm aufgefallen, dass die Lehrer zu viel Geld kosten und zu wenig arbeiten. Nun hat er eine (allerdings alte) Idee ausgegraben, wie man diese Kosten senken könnte: mit Jahresarbeitszeitkonten. Die würden bewirken, so meint er, dass die Pädagogen „effektiver“ mit ihrer Arbeitszeit umgehen. Gegen dieses Ziel kann man wenig einwenden, auch wenn gemeint ist, dass Stächele mit der Arbeitszeit der Lehrer effektiver umgehen will.

In einem Bericht der Stuttgarter Zeitung vom 23.8.10 steht nichts Genaues über den Plan von Minister Stächele, also füllen wir diese Leerstelle aus. Ein Schuljahr hat 40 Arbeitswochen, bei 25 Unterrichtsstunden pro Woche ergäben das im Jahr 1000 solcher Stunden. Da sie allerdings nur 45 Minuten dauern, sind es nur 750 Zeitstunden – im Jahr. Nun sind Lehrer Beamte und müssen daher genau so viel wie die anderen Beamten arbeiten, nämlich 1845 Stunden (45 Wochen zu 41 Stunden). Es fehlen somit 1095 Stunden, in denen die Pädagogen nicht in der Schule sind.

Die eigentliche „Schul-Zeit“ könnte man leicht messen, und zwar mithilfe einer Stech-Uhr (oder Stächele-Uhr): Wenn die Lehrkraft morgens das Schulhaus betritt, begänne die Uhr zu laufen, wenn sie am Mittag nach Hause fährt, würde sie mit dem Zählen aufhören. Aber wie sorgt man dafür, dass die Lehrer zu Hause nicht faulenzen, und vor allem, wie überprüft man die Lehrerarbeitszeit außerhalb des Schulgebäudes? Dazu gehören die Vorbereitung und Nachbereitung des Unterrichts sowie das Korrigieren von Klassenarbeiten und das Schreiben von Gutachten, dazu gehören der Besuch von Fortbildungen, das Lesen von Fachliteratur und die Erstellung von Stoffverteilungsplänen, dazu gehören die Telefonate mit den Eltern, den Kollegen, die Fahrten zur Abnahme von Prüfungen sowie die Tage und Nächte im Schullandheim und anderes mehr.

Gesetzt den Fall, man könnte diese Zeit messen, was würde Stächele tun, wenn einige Lehrkräfte die 1845 Stunden im Jahr unterschritten oder – noch schlimmer – überträfen? Den einen das Gehalt kürzen und den anderen die Überstunden bezahlen? Man darf gespannt sein, was aus der Stächele-Idee wird. Häckerling vermutet: nichts.

(Blog-Eintrag Nr. 207)

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Hausaufgaben über die Ferien

Heute (am 29.7.10) ist in Baden-Württemberg der erste Tag der Sommerferien. Die Bezeichnung ist ein wenig irreführend, denn der Sommer war schon, im Juli, aber da mussten die Schülerinnen und Schüler bei brütender Hitze über Klassenarbeiten brüten. Wir können zwar angeblich alles, wir Südstaatler, außer Hochdeutsch natürlich, und wir kennen auch alles, außer Sommerferien. An dieser Tradition zu rütteln ist aussichtslos. Um im Sommer Herbstferien zu haben, sind wir sogar vor Jahren aus dem rollierenden Feriensystem der KMK ausgestiegen.

Nun hat man die Kinder und Jugendlichen für 45 Tage in den Urlaub geschickt. Sie sollen sich jetzt erholen. Ein renommierter Erziehungsberater rät in der Zeitung von heute, sie sollten sich dabei auf keinen Fall mit Schulischem beschäftigen, sondern sich lieber langweilen bzw. lernen, ihre Langeweile selbst zu überwinden. Wichtig sei der Abstand zur Schule, gelinge er nicht, schade das den Kindern und mache sie krank. Daran ist sicher etwas Wahres. Wahr ist aber auch, dass ein solches Konzept der Schulvergessenheit auch das Vergessen von Gelerntem befördert. Am Ende der Ferien sind die Schüler erholt, hoffentlich, und wollen wieder etwas Neues lernen, hoffentlich, aber das Alte ist nachhaltig weg. Leider. Und es fehlt im neuen Schuljahr die Zeit, es wieder zurückzuholen.

Das soll nun nicht heißen, dass man den Schülern auch über die Sommerferien Hausaufgaben geben soll, nein, eine Hausaufgabe obliegt den für die Schule Verantwortlichen. Sie sollten Konzepte entwickeln, wie dem eklatanten Verlust an Gelerntem durch ferienbedingte Löschung begegnet werden kann. Dann müsste sich die Lehrkraft im kommenden Schuljahr nicht mehr darüber aufregen, dass „die im letzten Jahr offenbar nichts gelernt haben“.

(Blog-Eintrag Nr. 203)

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Ärgernis Ergänzungsbereich

Wie im Sport gibt es auch in der Schule die Pflicht und die Kür und wie im Sportlerleben ist auch im Schulleben die Kür beliebter als die Pflicht. Zu den Pflichten der Schulen, zum Grundbereich sozusagen, gehört der „normale“ Unterricht in den Haupt- oder Kernfächern, z. B. in Deutsch und Mathematik, und den „Nebenfächern“, also beispielsweise in den Naturwissenschaften, Geschichte und Gemeinschaftskunde, Musik, Sport und Kunst. Hingegen gibt es keine Verpflichtung, Arbeitsgemeinschaften und dergleichen anzubieten. Wenn es sie dennoch gibt, werden sie dem „Ergänzungsbereich“ zugeordnet. Er umfasst damit die „Kür“ und ist in Baden-Württemberg schon seit Jahren im Schwinden.

Das liegt an einer einfachen Logik, die auch jetzt wieder in einem Schreiben des Kultusministeriums (siehe Zeitungen vom 26.7.10) bestätigt wurde: Wenn es Probleme gibt, den Pflichtunterricht zu „finanzieren“, ist der Ergänzungsbereich eine Art „Sparbuch für Notfälle“. Die ökonomische Sprache ist deutlich: Durch „Umschichtungen von Mitteln“, also durch den Abbau von „freiwilligen Angeboten“, sollen Maßnahmen zur Vermeidung von Unterrichtsausfall bezahlt werden. Das ist ein Ärgernis.

Im Prinzip klingt es ja ganz gut und manches „Angebot“ im Ergänzungsbereich kann vielleicht tatsächlich schadlos gestrichen werden, manches aber nicht. Wenn man die Förderung des Sprachunterrichts für Kinder mit Defiziten mal ansetzt und dann wieder unterbricht, wenn man sprachliche Arbeitsgemeinschaften nach Belieben aussetzt, wenn man Chöre, Orchester oder Theatergruppen ausfallen lässt, um dem Pflichtunterricht ein paar Stunden zu verschaffen, dann ist das ein pädagogischer Unsinn. Denn die Förderung Schwacher, das Lernen zusätzlicher Sprachen und die Vorbereitung öffentlicher Auftritte sind das, was die Qualität von Schulen wirklich ausmacht.

Es wäre sinnvoll, das Wort „Ergänzungsbereich“ ersatzlos zu streichen oder es auf die schulischen „Angebote“ zu beschränken, die tatsächlich nur dem vorübergehenden Parken von Lehrerstunden dienen, sonst gibt es auch künftig Ärger mit dem Ergänzungsbereich.

(Blog-Eintrag Nr. 202)