Wir alle machen Rechtschreibfehler. In amtlichen Dokumenten sind sie zu vermeiden, in privaten Texten haben sie keine Bedeutung, in schulischen Arbeiten werden sie angestrichen, in der Zeitung finden wir sie täglich. Ein Grund sich zu ärgern? Nein, eher einer zum Schmunzeln oder Nachdenken oder dafür, die Beispielsammlung für den Rechtschreibunterricht zu erweitern.
Mein lokales Blatt, die Sindelfinger Zeitung, bringt heute (am 17.06.09) ein solches Beispiel. Auf der Seite 13 steht folgende originelle Überschrift: „Der rote Planet (gemeint ist der Mars) erreicht das Rathaus“. Das Wörtchen „rot“ ist kleingeschrieben. Stimmt das so?
Es stimmte mal. Vor der Rechtschreibreform von 1996 hat man die Farbadjektive bei Gestirnen kleingeschrieben; also war der „blaue Planet“ die Erde und der „rote Planet“ der Mars. Diese Schreibung ist nicht sinnvoll, weil inkonsequent, handelt es sich doch auch hier um „Eigennamen“, vergleichbar dem Roten Kreuz und der Blauen Mauritius. Schließlich schrieb und schreibt man in diversen geografischen, historischen und anderen Bezeichnungen von Einmaligem die Farben groß: das Rote Meer und die Rote Armee (in der ehemaligen Sowjetunion), der Blaue Nil und der Blaue Reiter (eine Gruppe von Malern), der Gelbe Fluss (damals, vor 1996, noch mit ß) und die Gelben Seiten (im Telefonbuch). Also und konsequenterweise wurde vor fast 15 Jahren beschlossen, auch dem Mars als einmaligem Planeten ein großgeschriebenes Farbadjektiv zu verordnen: der Rote Planet. Diese Festlegung hat alle Reformen der Schreibreform überstanden.
Ich will der Sindelfinger Zeitung nicht die rote Karte (oder die Rote Karte) zeigen, sondern ihr nur den Vorschlag machen: Investieren Sie in ein aktuelles Wörterbuch!
4 Antworten auf „Unkorrekte Schreibung 1: Roter Planet“
Meiner Meinung nach kann man beides sagen: Beim „roten Planeten“ sehe ich einen Planeten vor mir, der rot ist, und erfahre dann (falls ich es noch nicht wusste), dass es sich um den Mars handelt. Beim „Roten Planeten“ hängt bereits das spontane Vorstellungsbild von meinem Wissen ab: Es könnte sich auch um einen Planeten handeln, der von Kommunisten entdeckt worden ist. Vielleicht trägt er seinen Namen, weil man ihn zu bestimmten Zeiten (in der Morgen- oder Abendröte) besonders gut erkennen kann. Oder hat der blutrote Kriegsgott Mars dem Planeten Mars seinen Zweitnamen gegeben?
Es ist nicht selbstverständlich, dass Namen auf das von ihnen Bezeichnete eins zu eins hindeuten. Nicht alle „Berliner Straßen“ führen nach Berlin, geschweige denn, dass sie in Berlin liegen. Ein weiteres Beispiel sind die Sätze der Mathematik: Satz des Thales, Satz des Pythagoras, Satz des Fermat usf. Es heißt, dass es eher selten sei, dass ein mathematischer Satz nach seinem tatsächlichen „Entdecker“ benannt wurde. Und selbst wenn, sind wir in der Bredouille: Bezeichnet der Name a) den Entdecker des Satzes oder b) den des ersten Beweises oder c) den des genialsten Beweises, d) den des mathematisch weiterführendsten Beweises, ist er e) eine Widmung des Entdeckers oder Beweisfinders an seinen Lehrer oder f) einfach eine Zuordnung zu einem bekannten Mathematiker zwecks Werbung oder …?
Übertragen auf den Mars, den „Roten Planeten“. Als “roten“ Planeten stelle ich ihn mir einfach farbiger vor denn als „Roten“.
Dabei fällt mir ein Wahlplakat der Linken für die Europawahl ein. In weißer Schrift vor leuchtend blauem Hintergrund stand in großen Buchstaben: „Rot wählen“. – „Rot“ war natürlich groß geschrieben. Lag das daran, dass es am Satzanfang stand?
Natürlich hat das vorgeschaltete Adjektiv oft eine inhaltliche Beziehung zum Substantiv. Aber das ist nicht das entscheidende Kriterium für die Großschreibung. Das ist die Einmaligkeit, das “Eigen-Nämliche”. Wir sehen das am unsäglichen Dritten Reich (es war vermutlich tatsächlich das dritte), am Grünen Gewölbe, das wohl schon ziemlich grün anmutet, und am Parlamentarischen Rat, der durchaus parlamentarisch war. Diese Art der Einmaligkeit fehlt bei der roten Karte (im Fußball) und beim schwarzen Brett. Erstere ist rot, Letzteres aber selten schwarz. Daher plädiere ich hier für Kleinschreibung. Der Duden empfiehlt allerdings in beiden Fällen die Großschreibung. Eine Festlegung gibt es aber nicht.
Aber dann darf man doch, zum Beispiel im Fall des Roten Planeten, auch mal das “Eigen-Nämliche” thematisieren. Der Rote Planet ist nämlich rot. (Wie die Bilder der Ausstellung hoffentlich zeigen oder thematisieren.)
Wahrscheinlich ist der Rote Planet tatsächlich rot, sonst wäre die Bezeichnung arg daneben. Aber ist nicht auch die Schwarze Madonna schwarz und die Blaue Mauritius blau? Zur Thematisierung genügt nicht die Nennung des Attributs, man muss ausführlicher schreiben: Was genau ist schwarz an der Madonna, blau an der Bríefmarke und rot am Mars? So wie man auch das Christliche an der Christlich Demokratischen Union, das Sozialdemokratischen bei den Sozialdemokraten und das Freie bei der FDP zum Thema machen kann. Trotz aller Zweifel: sie wollen auf jeden Fall großgeschrieben werden.