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Unbelohnt – der Schulbesuch

Das Schulschwänzen scheint in Frankreich so zugenommen haben, dass man es nun mit Belohnungen versucht. Klassen mit hoher Anwesenheitsquote dürfen, so liest man (Stuttgarter Zeitung 8.10.09), auf finanzielle Zuschüsse zum Schullandheim oder zur gemeinsamen Fahrschule hoffen. Offenbar finden das nicht alle gut in unserem Nachbarland. Es wird von einem „kollektiven Aufschrei“ berichtet. Auch finden manche, man solle die Kinder für den Schulbesuch nicht belohnen, sondern ihnen vermitteln, was für eine Vergünstigung es sei, wenn man „auf Kosten der Gemeinschaft“ eine kostenlose Ausbildung erhält. Ob das den notorischen Schwänzern Eindruck macht?

Auch bei uns herrscht Schulbesuchspflicht. Nur wer triftige Gründe hat, also beispielsweise wegen Krankheit verhindert ist oder aus nachvollziehbarem Anlass beurlaubt wurde, „darf“ in der Schule fehlen. Trotzdem schwänzen auch hierzulande manche. Dann wird ihr Fehlen (im Klassen- oder Tagebuch) vermerkt, und wenn keine schriftliche Entschuldigung (fristgerecht) nachgereicht wird, ist eine Strafe fällig. Die kann auch die Eltern treffen, denn sie sind dafür verantwortlich, dass ihr Kind regelmäßig zur Schule geht. Kommen sie dieser Aufgabe nicht nach, kann ein Bußgeld gegen sie verhängt werden. Das geschieht auch manchmal.

Ehe man nun auf die Idee kommt, Frankreich nachzuahmen und für den Schulgang Belohnungen auszusetzen, sollte man die kostenlosen Möglichkeiten ausschöpfen. Die wären: Man könnte die Schule attraktiver machen, indem man sie besser ausstattet, zum Beispiel durch die Schaffung von Spiel- und Sportmöglichkeiten für die unterrichtsfreien Zeiten. Oder durch einen Unterricht, der den Einzelnen stärker im Blick hat und fördert. Vor allem aber dadurch, dass man den Kindern und Jugendlichen das Gefühl vermittelt, man nehme ihr Da-Sein wahr und freue sich über ihr tägliches Kommen.

Es soll früher vorgekommen sein, dass Lehrer es tagelang nicht einmal gemerkt haben, wenn Schüler fehlten. Und wenn sie es merkten, hat es sie nicht interessiert, warum sie fehlten. Ob das auch heutzutage noch vorkommt?

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Unbeholfen – Lehrerlob und Schreibertadel

Die Freude darüber, dass der Stuttgarter Regierungspräsident den Weltlehrertag zu einer Lobrede auf die Lehrerschaft genutzt hat, weicht bald einer ärgerlichen Stimmung, wenn man den Bericht in der Sindelfinger Zeitung (6.10.09) näher betrachtet. Die Fotos, die Sprache und die Zeichensetzung sind zum Jammern. Da stellt sich die Frage: Haben die Lehrerinnen und Lehrer kein besseres Lob verdient?

Auf den beiden Fotos erblickt man sechs Menschen, aber keinen einzigen Lehrer, dafür eine Abgeordnete, einen Regierungspräsidenten, einen Landrat, eine Dame vom Regierungspräsidium, einen Seminarleiter und einen Schulleiter.

Die Sprache des Artikels ist so, dass man zum Rotstift greifen möchte. Da heißt es, der Regierungspräsident habe „anlässlich des Weltlehrertags … die Idee gehabt“, den Lehramtsanwärtern „Anerkennung und Unterstützung für ihren schweren Beruf zu zeigen“. Gemeint ist: Der Präsident nutzte den Weltlehrertag, um den künftigen Lehrern seine Anerkennung auszusprechen und ihnen Unterstützung (welche?) in Aussicht zu stellen. Zu deren Ausbildung wird gesagt, sie würden, „neben ihrem praktischen Einsatz in Schulen“, „in Theoriestunden auf ihren Beruf vorbereitet“. Das klingt nach Fahrprüfung. Und wieso „neben“? Gemeint ist: Die Referendarinnen und Referendare werden in eineinhalb Jahren vom Seminar und von ihrer Schule theoretisch und praktisch auf den Lehrerberuf vorbereitet. Tiefsinnig wirkt der vom Zeitungsschreiber zitierte Satz des Regierungspräsidenten: „Der eigentliche Beruf des Lehrers im Alltag ist kaum jemandem bekannt.“ Meint er, dass kaum jemand etwas über den Lehreralltag weiß?

Mit den Kommas steht der Verfasser des Artikels auf Kriegsfuß. Um den Lesern dieses Blogs auch einmal etwas zum Rätseln zu geben, seien vier Sätze zitiert, in denen sich nach Häckerlings Auffassung Fehler versteckt haben: (1) „Lehrer werden in Deutschland nicht so sehr geschätzt, wie in anderen Ländern.“ (2) „Die Kinder haben eine lange Vergangenheit hinter sich, und noch einen langen Weg vor sich.“ (3) „In seinem Wunsch Grund- und Hauptschüler zu unterrichten ist M. M. einer von wenigen Männern.“ (4) „Ich fand (sagt A. H.) diesen Beruf (der Lehrerin) schon immer faszinierend, und habe vorher viel in der Jugendarbeit gemacht.“

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Unberaten – Psychologen in den Schulen

Der Expertenbericht der Landesregierung Baden-Württemberg zu den Konsequenzen des Amoklaufs von Winnenden fordert, die Zahl der Schulpsychologen zu erhöhen. Angesichts der Information, dass statistisch gesehen ein Schulpsychologe 15000 Schüler zu betreuen hat, will man dieser Forderung spontan zustimmen. Allerdings gibt es in vielen Schulen, wenn auch nicht in allen, ausgebildete Beratungslehrer. Sie haben schon jetzt sehr viel zu tun. Und sie haben sehr wenig Zeit, denn sie sind nicht etwa vom Unterricht befreit, sondern müssen auch in einem beträchtlichen Umfang unterrichten. Es wäre klug, wenn sich die Landesregierung dazu durchringen könnte, diese wichtige Gruppe von Lehrkräften zu entlasten und ihr mehr Zeit fürs Beraten zu geben.

Beraten wird auch von den Suchtpräventionslehrern. Nach Winnenden ist dieses Thema etwas in den Hintergrund getreten. Das heißt aber nicht, dass es unwichtig geworden wäre. Die Drogenprobleme, nicht nur die mit Alkohol, sind an den Schulen immer noch beträchtlich.

Die erste Adresse fürs Beraten sind in der Schule immer noch die Klassenlehrer. Sie werden bei Problemen als Erste angesprochen; sie vor allem halten den Kontakt mit den Eltern und sie informieren, wenn nötig, die anderen Lehrkräfte. Klassenlehrer haben oft nur drei Stunden in ihrer Klasse, vielleicht auch vier, aber selten mehr. Sie erhalten keine Anrechnung und keine zusätzliche Zeit für ihre Arbeit. Im Gegenteil, es wird von ihnen erwartet, dass sie die Anforderungen des Bildungsplans in ihrem Unterrichtsfach pünktlich erfüllen und zugleich einfühlsame, beratungsstarke, pädagogisch und psychologisch kompetente Lehrerinnen und Lehrer sind.
Sie sind „die Psychologen in der Schule“, aber es fehlt ihnen die Zeit und die Ausbildung, den hohen Erwartungen zu entsprechen.