Manchen mag es ja eine Führungskraft mit protestantischer Einfärbung zu viel sein: Zu Merkel, der evangelischen Pfarrerstochter, die das Amt der Bundeskanzlerin inne hat, ist nun als Bundespräsident noch Gauck gekommen, ein gelernter evangelischer Pfarrer. Merkel und Gauck kommen überdies aus dem „Osten“, aus den Bundesländern, die man wahrlich nicht mehr als „neu“ bezeichnen kann. Wird das dem religiösen und gesellschaftlichen Frieden dieses unseres Landes zuträglich sein?
Zwei „Ostler“, wie man im Westen mit einem Hauch von Diskriminierung gerne sagt, an der Spitze des Staates, kann das gut gehen? Es kann, meine ich. Schließlich gibt es auch ein paar „Westler“ auf den oberen Rängen: Lammert als Präsident des Bundestags oder Voßkuhle als Chef des Bundesverfassungsgerichts. Schwieriger wird es mit der Konfession.
Wenn sie die versteckt halten, ecken sie nicht an, wenn sie darauf Bezug nehmen, werden Nasen gerümpft. Dabei kann der Republik ein bisschen mehr protestantischer Geist nur gut tun. Kargheit und Zurückhaltung statt barocker Hofhaltung, das wäre in Zeiten wuchernder Boni ein hörenswertes Signal. Diskussionen über richtige Entscheidungen statt ergebenen Wartens auf die „richtungweisende“ Verlautbarung „von oben“, das würde die Demokratie beleben. Eine Stabilisierung der Kultur durch mehr „Kulturprotestantismus“ wäre eine schöne Bereicherung der Gesellschaft.