Es ist ein heißes politisches Eisen, das Thema des 2014 erschienenen Romans Tage der Nemesis von Martin von Arndt; es geht um den Völkermord an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs. Schon Franz Werfel hat darüber einen bedrückenden Roman geschrieben: Die vierzig Tage des Musa Dagh. Als Genozid bewertet man im westlichen Europa den Tod von 1,5 Millionen Menschen armenischer Herkunft. Die offizielle Türkei sieht das auch heute noch ganz anders. Im offiziellen Deutschland der 1920er Jahre teilte man die türkische Auffassung. Beide Länder waren im Ersten Weltkrieg verbündet, und an einem Verbündeten mäkelte man nicht herum.
Es ist Martin von Arndts Verdienst, dass er die Lynchjustiz überlebender Armenier an den Verantwortlichen des Massakers in eine Handlung einbettet, die widersprechende Meinungen zu Wort kommen lässt. Gegeißelt wird die Tötung unschuldiger Menschen im Osmanischen Reich, kritisiert wird aber auch die armenische Lynchjustiz auf deutschem Boden. Der Autor hat die Ereignisse von damals offenbar gut recherchiert. Seine Geschichte spielt in den anderthalb Jahren vom März 1921 bis zum September 1922 an den Schauplätzen Berlin und Rom. Im Mittelpunkt der Kriminalgeschichte steht der (fiktive) Ermittler Eckart und seine Mitarbeiter, der loyale Assistent Rosenberg und der weniger loyale und mutmaßlich künftige Nationalsozialist Wagner. Eckart will das Attentat auf einen Exiltürken mit den üblichen Polizeimethoden aufklären, gerät dabei aber in das Räderwerk der politischen Interessen Deutschlands und der neuen türkischen Machtelite. Eine wirkliche Aufklärung des Geschehens ist daher nicht möglich. Vordergründig ist das Buch ein Thriller, tatsächlich aber ein historischer Roman über ein grauenhaftes Ereignis und seine Folgen.