Aus Österreich kommt die Kunde, dass man dort im Deutschunterricht immer moderner werde. Man wolle den Gymnasiasten nunmehr beibringen, wie sie eine Gebrauchsanweisung zu lesen haben, wie sie eine SMS schreiben oder einen Eintrag bei Facebook und Twitter (um nur Beispiele zu nennen), wie sie ihre Meinung (so sie denn eine haben) wirkungsvoll vorbringen und (aber das weiß ich nicht sicher) eine Steuer-Erklärung korrekt verfassen. Solche Lehraktivitäten kosten natürlich Zeit, viel Zeit. Aber die findigen Schulreformer in Austria haben bereits eine Lösung gefunden: Es soll ein Ende haben mit der Lektüre deutscher Klassiker. Goethe und Schiller, Lessing und Kleist seien in der heutigen Zeit entbehrlich.
Nun kann ich nachvollziehen, dass für den Österreicher ausländische (deutsche) Literatur nicht das Wichtigste sein muss. Nach der unseligen gemeinsamen Kriegsgeschichte (11924 – 1918, 1939 – 1945) mag man genug haben vom deutschen Klassikerwesen. Aber wie halten sie’s mit ihren eigenen bedeutenden Schreibern? Dem Grillparzer, dem Anzengruber, dem Nestroy zum Beispiel? Fallen die auch dem literarischen Großreinemachen zum Opfer?
Uns Deutschen kommt es übrigens überhaupt nicht zu, die Nase zu rümpfen. Goethe und Schiller finden in den hiesigen Gymnasien kaum mehr statt. Ist ja auch nicht nötig, da wir nur ins Kino zu gehen brauchen, um Schillers Liebesleben kennen zu lernen. Martenstein will sogar erfahren haben, dass außer Brecht keine Literatur mehr dem gymnasialen Deutschunterricht Lebensnähe geben kann. Brecht – wer war denn das?